Blutiger Sand
silbernes Kettchen mit einem türkisen Anhänger. Sie will mir die Kette schenken. Ich bestehe darauf, sie zu bezahlen. Wir streiten ein bisschen. Ich setze mich schließlich durch.
„Das war kein Unfall, oder?“ Ich deute auf ihr rechtes Auge.
Claire schüttelt den Kopf.
„Jamie?“
„Nein.“
„Tom?“
Sie nickt.
„Warum lässt du dir das gefallen?“
„Er war sauer, weil er zuhause hat bleiben müssen. Tom ist nicht wirklich böse. Es hat ihm gleich danach wieder leidgetan. Er ist nicht ganz richtig im Kopf, rastet leicht aus, dreht wegen jeder Kleinigkeit total durch und schlägt dann alles kurz und klein, was ihm in die Quere kommt. Er kann sich einfach nicht beherrschen.“
„Du bist verrückt. Warum entschuldigst du ihn?“
Sie schaut beschämt zu Boden. „Du hast Recht“, sagt sie leise. „Ich habe keine Chance gegen die beiden. Jamie ist fast genauso schlimm wie Tom …“ Sie bricht ab.
Zwei ältere Frauen nähern sich ihrem Stand. Es sind die beiden Holländerinnen, die vorhin hinter uns gesessen sind.
„Ich komme wieder“, sage ich zu Claire. „Bleib in ihrer Nähe“, sage ich auf Deutsch zu Orlando, der mir folgen will. „Ich muss was holen.“
Er runzelt die Stirn, widerspricht aber nicht, sondern schaut sich Claires Kettchen und Ringe genauer an.
„Kauf irgendwas für deinen nächsten Liebhaber“, sage ich zu ihm.
Ich laufe zurück zu Simon, der noch immer mit dem alten Medizinmann plaudert. Bitte ihn um die Autoschlüssel. Ignoriere seinen fragenden Blick, nehme den Schlüssel und bin schon unterwegs zum Parkplatz.
Die Schrotflinte, die ich mir in der Trading Post im Valley of Fire gekauft habe, liegt eingewickelt in eine von Simons kostbaren Navajo-Decken auf dem Rücksitz. Ich schnappe sie mir samt der Decke und spaziere zurück zum Stadion.
Hinter dem Stadion erblicke ich ein riesiges Zelt und jede Menge Imbissbuden. Auch auf der Rückseite wird an den Eingängen kontrolliert. Die muskulösen Indianer-Jungs haben alle Bierdosen und Zigaretten in der Hand. Sie wirken leicht illuminiert und blödeln mit den jungen Mädchen am Eingang.
Eine hübsche Kleine wirft kurz einen Blick auf mein papierenes Armband, das mich als zahlende Besucherin ausweist. Die Decke unter meinem Arm interessiert sie nicht.
Es dauert eine Weile, bis ich mich in der Halle wieder zurechtfinde. Erneut bin ich überwältigt von der Farbenpracht der Kostüme, von all den Bändern, Federn, Glasperlen und Fellen um mich herum.
Claire steht allein am Stand.
Ich überreiche ihr meine Flinte.
„Dieses Arschloch wird dich nicht mehr ungestraft schlagen“, sage ich.
Ihr Gesicht ähnelt dem Pokerface von Simon. Ich lese weder Freude noch Entsetzen darin.
Geschickt, ohne dass man sieht, was sie in der Hand hält, wickelt sie die Flinte unter ihrem Tapeziertisch in Packpapier und gibt mir Simons Navajo-Decke zurück. „Danke“, sagt sie ganz ruhig und schaut mich lange an.
Von wegen, dass Indianer einem nicht in die Augen sehen, lieber Simon, denke ich.
„Dein Freund ist vom FBI .“ Es klingt weniger nach einer Frage als nach einer Feststellung.
„Ja. Er ist Detective.“
„Ich habe alles so satt.“ Sie wischt sich mit der Hand über das verletzte Auge.
Ich erwarte, dass sie in Tränen ausbricht. Sie vergießt keine einzige Träne.
„Er wird dem Ganzen ein Ende machen. Rede mit ihm!“, fordere ich sie auf.
Hunter ist zwar nicht zuständig für Misshandlungen und Vergewaltigungen, aber ich hoffe, dass ihm schon etwas einfallen wird. Da sagt sie plötzlich: „Tom und Jamie sind Highway-Piraten. Sie sind ständig, vor allem nachts, in der Wüste auf der Suche nach Unfallwagen. Schwerverletzte lassen sie meistens einfach liegen oder helfen etwas nach, damit sie rascher ins Jenseits gelangen. Die Leichen haben sie in der Wüste verscharrt.“
„Wie bitte?“
„Hast du noch nie etwas von den Löchern im Sand gehört? Die Mafia hat ihre Opfer jahrzehntelang im Sand verbuddelt. Die Wüste rund um Las Vegas ist eine einzige riesige Grabstätte.“
Entsetzt starre ich sie an.
„Du musst es ihm sagen! Ich kann nicht selbst zur Polizei gehen, da ich ihnen manchmal geholfen habe.“
„Sie haben dich dazu gezwungen, nehme ich an?“
„Wie soll ich das beweisen?“
„Lass das meine Sorge sein. Danke, dass du mir vertraust. Ich werde mit Simon reden. Und dir wird nichts passieren, das schwöre ich dir!“
Jamie kommt auf den Stand zu.
Ich mache mich rasch aus dem Staub, will ihm
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