Blutiger Spessart
aufräumen und sich die restliche Zeit bis zum Dienstantritt in Gemünden Urlaub nehmen. Bis dahin würde das Schicksal Steffis entschieden sein – und seines auch. Vielleicht musste sich das Justizministerium schon bald einen anderen Direktor für Gemünden suchen.
Wenig später verließ Kerner eilig das Strafjustizzentrum und fuhr nach Partenstein.
21
Michelangelo Trospanini saß neben Emolino im Kaminzimmer seines Hauses und ließ den Paten die Nachricht abhören, die Kerner auf die Mailbox des Handys gesprochen hatte. Seit sie durch Schmitt erfahren hatten, dass der Junge mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr lebte, war der Alte in seinem Hass fast nicht mehr zu halten. Nur die Ungewissheit über den Verbleib der Leiche seines Sohnes hielt ihn davor zurück, Kerner und seine Freundin sofort töten zu lassen.
»Was sollen wir machen?« Trospanini sah ihn fragend an. Ihm war eigentlich klar, was jetzt kommen würde.
»Diese Nachricht ist ein klares Eingeständnis, dass er Ricardo umgebracht hat und weiß, wo sich die Leiche meines Jungen befindet«, stieß Emolino zwischen schmalen Lippen hervor. Seit der schockierenden Nachricht saß er mit verschlossener Miene in seinem Haus und brütete vor sich hin. Nur Stunden später hatte er in einer spontan geplanten Aktion die Freundin seines Feindes entführen lassen. Das war eigentlich untypisch für ihn, weil Emolino sonst ein vorsichtiger Planer war. Die Frau war an einem Ort untergebracht, der nur dem Paten, dem Consigliere und zwei seiner besten Männer bekannt war.
»Ich will, dass ihr euch das Schwein greift. Bringt ihn in den Keller zu seiner Schlampe. Der mächtige Herr Oberstaatsanwalt wird nicht tatenlos zusehen, wie sie wegen ihm stirbt. Er wird uns die Wahrheit sagen. Wenn die Leiche gefunden ist, werdet ihr beide spurlos beseitigen!«
Die letzten Worte waren nur noch ein schwer verständliches Flüstern.
Trospanini nickte zwar zustimmend, überlegte dabei aber fieberhaft, wie er Emolino daran hintern konnte, dermaßen Amok zu laufen. Das spurlose Verschwinden eines Oberstaatsanwalts und seiner Geliebten würde in ganz Deutschland einen riesigen Wirbel auslösen, der sich bis in Regierungskreise auswirkte. Der sonst so clevere Emolino ließ durch den Schmerz über den Verlust seines Jungen jegliche Vorsicht vermissen. Nachdem Kerner gegen Emolino ermittelte, würde der Pate in der vordersten Reihe der Verdächtigen stehen. Insbesondere nach der Sache mit dem Kronzeugen.
»Gibt es noch etwas?«, grollte Emolino, als er das Zögern seines Verwalters bemerkt. »Tu, was ich dir gesagt habe!«
Trospanini nickte wortlos und verließ den Raum. Momentan war mit dem Paten nicht vernünftig zu sprechen.
Emolino starrte eine Weile finster vor sich hin, dann griff er sich ein unregistriertes Handy, das er für derartige Anrufe im Schreibtisch hatte, und wählte eine Nummer. Als auf der Gegenseite das Gespräch angenommen wurde, fragte er nur knapp: »Come stai?«
Die Antwort schien zufriedenstellend zu sein, denn er nickte und fuhr fort: »Ich habe dem Consigliere befohlen, Kerner zu holen und in den Keller zu bringen. Wie mir scheint, hat er mit dieser Aufgabe ein wenig Probleme. Ihr werdet dafür sorgen, dass dieser Mörder meines Sohnes bis heute Mitternacht dort ist und uns sagt, was wir wissen wollen. Wenn ihr Ricardo gefunden habt, könnt ihr mit den beiden machen, was ihr wollt. Hauptsache, sie überleben es nicht.« Er wartete die Antwort nicht ab.
Kerner setzte sich in seinen Wagen und fuhr nach Partenstein. In der Nähe seines Hauses fuhr er langsamer. Er vermutete, dass es überwacht wurde. Da es am Waldrand lag, gab es zahlreiche Möglichkeiten für einen Beobachter, sich zu verstecken. Von Würzburg aus war ihm niemand gefolgt, da war er sich ziemlich sicher. Auf der langen Strecke wäre ihm ein Verfolger aufgefallen.
Er konnte allerdings nichts Verdächtiges erkennen und fuhr den Wagen in die Garage. In der Küche bereitete er sich mit der Kaffeemaschine einen doppelten Espresso. Während er das starke Getränk zu sich nahm, zwang er sich zu rationalem Denken. Wo konnten diese Verbrecher Steffi versteckt halten? Wahrscheinlich hatten sie sie nicht weit weg gebracht. Keller, wie auf dem Film zu sehen, gab es in Unterfranken zu Hunderten. Früher lagerten die Bauern ihre gesamten Wintervorräte an Rüben, Kartoffeln und teilweise auch Gemüse in solchen Kellern ein. Kerner musste sich den Film noch einmal ansehen. Möglicherweise war ihm
Weitere Kostenlose Bücher