Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
Oger sein aggressives Verhalten vom Vortag nicht fortführte. Und sie betete dafür, dass Gnunt weiterhin schlief.
Der Reitersmann war in Wirklichkeit ein Junge von kaum sechzehn Jahren, der sich in einen zu großen Mantel gehüllt hatte. Seine rot gefrorene Nase und die Wangen zeigten, dass er schon einige Stunden unterwegs war.
Der hagere Jüngling zerrte an den Zügeln des Pferdes. Das kräftige Tier war es nicht gewohnt, schnelle Reitkommandos auszuführen, und der Junge besaß nicht die Kraft, den Pferdekopf weiter nach hinten zu ziehen. Die Pferdehufe schabten über das lückenhafte Pflaster vor dem Haus und trieben Schnee und Sand vor sich her. Der Junge kam mit seinem Pferd erst einige Schritte hinter Hagrim und Cindiel, seitlich von der Hütte, zum Stehen.
»Ho ho«, sagte er zu seinem Pferd und klopfte ihm sanft den Hals. Er wollte dem Tier keine weiteren ungewohnten Kommandos abverlangen und drehte sich auf seinem Sattel fast um.
»Guten Morgen«, grüßte er freundlich. »Seid Ihr der Bewirtschafter hier?«, fragte er Hagrim.
»Das bin ich, mein Junge«, stimmte Hagrim mit fester Stimme zu. »Was führt dich auf unser Land?«
»Der Hohepriester Ochmalat hat mich geschickt«, sagte er mit Stolz in der Stimme. »Kennt Ihr ihn?«
Hagrim schüttelte mit finsterer Miene den Kopf. Er befürchtete, dass seine Stimme ihn Lügen strafen könnte.
»Er ist der Hohepriester aus Lorast. Er ist der Glaubensälteste dort. Prios spricht direkt über ihn zu uns.«
»Und was sagt Prios? Oder ist es eher ein Anliegen des ehrenwerten Hohepriesters Ochmalat, das dich zu uns führt?«
Der Junge schien verwirrt. Aufgeregt wippte er auf dem Sattel hin und her. »Er hat mich geschickt ...«
»Wer?«, unterbrach ihn Hagrim rüde.
»Der Hohepriester Ochmalat«, sagte der Junge, als ob die Antwort klar war. »Er hat mich geschickt, um Freiwillige für den Krieg zu rekrutieren. Die Oger ziehen die Küste entlang Richtung Süden, auf Sandleg zu. Es sind mindestens sechzig, siebzig Stück von diesen Ungetümen. Der Hohepriester hat ein Heer von tausend Mann. Er wird die Oger zurück in Tabals Schoß schicken, danach machen wir uns auf die Suche nach Orks und Trollen, sowohl in den Bergen als auch im roten Sumpf. Wir werden sie aus dem Land jagen. Der Hohepriester sagt, wenn keine Kreatur Tabals mehr einen Schatten auf unser Land wirft, dann wird sich Prios wieder zeigen - und mir ein Schwesterchen schenken.«
Der Junge machte eine Pause, um Luft zu holen.
»Was sagt Ihr? Wollt Ihr Euch uns anschließen oder vielleicht Euer Stallbursche?«
Hagrim blickte zu Cindiel. Sie war einige Schritte zurückgetreten und hielt ihren Kopf gesenkt. Ihre Kapuze war weit über das Gesicht gezogen. So wie sie dastand, hätte sie wirklich Hagrims Stallbursche sein können, verunsichert und furchtsam. Leider zeigte sie diese Seite viel zu selten für Hagrims Geschmack. Der Geschichtenerzähler drehte sich wieder um und sah den Jungen, hoch oben auf seinem Pferd, mit festem Blick an.
»Nein. Aber du kannst Ochmalat etwas von einem alten Bauern ausrichten. Wenn er es geschafft hat, tausend Kinder des Prios in den Tod zu schicken, braucht er keine Angst mehr vor den Schatten Tabals zu haben. Trauer wird diese Welt verdunkeln, die schwärzer ist als jeder Schatten.«
In dem Gesicht des Jungen sah Hagrim, dass dieser seine Worte nicht verstand. Er hoffte inständig, dass der Knabe begriff, bevor er zurück bei Ochmalats so genannter Armee war.
Dem Jungen schien die Antwort nicht zu schmecken. Er verzog das Gesicht, drehte sich in seinem Sattel wieder um und streichelte seinem Pferd durch die Mähne. Sein Blick wanderte über den Hof.
»Der Platz ist schlecht gewählt«, sagte er störrisch.
»Was?«, fragte Hagrim.
»Der neue Brunnen«, antwortete er und zeigte auf die Stelle, wo noch vor wenigen Momenten Sand im hohen Bogen aus dem Erdloch geworfen worden war. »Er ist zu weit weg vom Haus. Ihr werdet fluchen, wenn ihr das Wasser immer so weit schleppen müsst. Außerdem habt ihr viel zu breit gegraben, es sieht fast aus wie ein Grab, nur viel zu tief.«
Hagrim verzieh dem Jungen sein altkluges Geplapper, schließlich hatte er Recht, was das Grab anging.
»Wir müssen jetzt wieder an die Arbeit«, sagte Hagrim. »Für den Krieg haben wir keine Zeit, du siehst ja, der Winter kommt früher als erwartet.«
Der Junge riss die Zügel herum, und das Pferd drehte sich schwerfällig, aber wohlwollend auf der Stelle. Mit einem Klaps auf den
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