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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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dürftige Ernte noch nicht eingebracht. Aber auch dies war nur eine weitere Folge der schweigenden Götter. Die Menschen lernten, damit umzugehen, aber ihr Unmut wurde durch dieses nächste Unglück geschürt. Immer mehr Stimmen wurden laut und verlangten danach, etwas zu unternehmen. Wer es war, der ihnen ein Leben versprach, schien ihnen gleichgültig zu sein. Sie folgten jedem, der seine Stimme nur laut genug erhob.
    Als Cindiel erwachte, war es bereits hell. Sie hatte mit Hagrim im Haus übernachtet, doch die Bettstatt des Geschichtenerzählers war leer. Cindiel schob die alten, muffigen Decken beiseite und stand auf. Seit ihrer Flucht aus Osberg trug sie die Kluft des Stalljungen. Wie sehr wünschte sie sich, ein wohltuendes Bad nehmen und in ihre eigenen Sachen schlüpfen zu können. Doch keiner dieser Wünsche kam dem Verlangen gleich, endlich wieder von Finnegan in die Arme genommen zu werden. Sie vermisste den jungen Soldaten aus Osberg aus ganzem Herzen.
    Als Cindiel die halb zerfallene Hütte verließ, schlug ihr die Kälte entgegen. Fröstelnd zog sie ihre Kapuze über den Kopf. Hagrim saß vor dem Haus auf einem Haublock. Er hatte eine der Decken um sich geschlungen und paffte genüsslich an einer Pfeife.
    »Seit wann rauchst du Pfeife?«, begrüßte sie ihn.
    Hagrim unterließ es, sich ihr zuzuwenden. Die Gefahr, dass kühle Luft an seinen Körper drang, schien ihm ein Graus. »Seit genau einer halben Stunde, als mich die Kälte aufwachen ließ und mir bewusst wurde, dass wir zu weit von der nächsten Flasche Rotwein entfernt sind. Pfeife und Tabak lagen unter dem Bett, wahrscheinlich eine Hinterlassenschaft von Usil.«
    Hagrim starrte weiter geradeaus und versuchte, Rauchringe in die Luft zu blasen. Sein Blick war auf einen Haufen frische Erde gerichtet, der sich auf dem kleinen Acker vor dem Haus erhob. In kurzen Abständen warf jemand schaufelweise Sand oben auf den Haufen.
    »Ist das Mogda? Was macht er da?«, fragte Cindiel irritiert.
    »Er schaufelt ein Grab. Das hat er doch gesagt.«
    »Wenn er so weitermacht, wird er nicht mehr selbst herauskommen. Warum gräbt er so tief?«
    Jetzt drehte sich Hagrim doch zu Cindiel um. Sein breites Grinsen drückte den Pfeifenkopf in die Höhe, und Tabakqualm zog aus seinen Mundwinkeln in feinen Fäden nach oben. »Das mag daran liegen, dass ich ihm von dem Ritual erzählt habe.«
    Cindiel schaute skeptisch drein.
    »Je mehr Anteil man an dem Tod eines Freundes nimmt und umso mehr Respekt man dem Verstorbenen zollen will, desto tiefer hebt man sein Grab aus. Das ist ein alter Brauch aus dem ... äh ... Süden des Landes namens Leichtgläubig. Wenn du mich nicht verpetzt, lassen wir ihn noch eine halbe Stunde graben«, feixte Hagrim.
    Cindiel spielte das Spiel mit, aber sie hatte ein schlechtes Gewissen dabei. Sie fand, Mogda musste sich etwas abreagieren, und da war es ihr lieber, er tat es an dem sandigen und unfruchtbaren Boden als an den Menschen in Nelbor.
    Und Mogda reagierte sich ab. Immer tiefer wurde das Loch, und immer höher flog der Sand. Zur losen Erde gesellten sich nun auch Felssteine von der Größe eines Kohlkopfes. Mogda war bereits bis zu den Schultern verschwunden, als er Cindiel bemerkte, die nun neben Hagrim auf dem Haublock saß. Anstatt einer morgendlichen Begrüßung warf er ihr einen bösen Blick zu.
    »Aber Usil schien er wirklich gemocht zu haben«, flüsterte sie.
    »Ja, sieht so aus«, grummelte Hagrim. »Wenn das mein Grab wäre, würde er mich sicherlich oben auf den Sandhaufen legen wollen.«
    Cindiel spürte Hagrims Blick auf sich ruhen. Sie fühlte, dass er überlegte, ob sie für ihn ein Grab ausheben und wie tief es wohl sein würde, aber er traute sich nicht zu fragen.
    »Mindestens genauso tief«, flüsterte sie.
    Sie konnte nicht sagen, ob er es gehört hatte, denn plötzlich sprang er auf. Seine Decke fiel zu Boden, und er richtete seinen Blick auf den schmalen Weg, der aus dem Wald zum Haus führte. Cindiel bemerkte den Reiter erst, als er tief gebeugt über den Pferderücken aus dem Dickicht des Waldes galoppierte und auf sie zuhielt. Das kräftige schwarze Pferd war für die Feldarbeit bestimmt. Der schnelle Galopp hatte es vollkommen verausgabt. Weißer Schaum stand ihm vor dem Maul, und es schnaufte erschöpft, als der Reiter im leichten Trab näher kam.
    Cindiels erster Blick galt Mogda. Er schien den ungebetenen Gast auch sofort bemerkt zu haben und war in dem Loch in Deckung gegangen. Sie dankte Prios, dass der

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