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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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sein, wenn es den ganzen Spalt hinaufreichen müsste. Selbst wenn er es hätte tragen können, was dann? Von allein lösen würde sich der Ring um seinen Fuß sicherlich nicht. Rator war verdammt dazu, hier zu warten.
 
    Wieder einmal hatte Rator die Müdigkeit übermannt. Trotz seines Hungergefühls und der beißenden Kälte an seinem Fuß war er eingeschlafen. Quälende Träume ließen seinen Kopf hin und her wandern, und leise, kaum verständliche Klagelaute drangen aus seiner Kehle.
    Wie schon so oft träumte er von einer großen schwarzen Leere, die ihn umgab. Er hörte die Stimmen seiner Kameraden, hörte Schlachtrufe und das ängstliche Schreien von Feinden, die hoffnungslos unterlegen waren. Immer leiser wurden die Stimmen, und immer entfernter klangen sie, bis sie ganz verstummten und er völlig allein schien.
    Rator schlug die Augen auf und wischte sich mit dem Finger wie aus Reflex über den Nasenrücken. Sein Gesicht war trocken. Es war nicht der Wassertropfen, der ihn um seine Ruhe gebracht hatte. Das schleifende Geräusch von Holzrädern, die ineinanderfassten, erfüllte die Höhle. Knarrend wie eine hölzerne Tür, die mit einem Mechanismus von Zahnrädern, Seilen und Ketten bedient wurde, klang es.
    Gab es doch einen Ausgang, eine Tür, die er übersehen haben mochte? Jeden Winkel der Höhle hatte er abgesucht nach Nahrung und Wasser oder etwas, dass er als Waffe benutzen konnte, doch nichts hatte er gefunden. Rator wusste aber auch, dass es Dinge gab, die den Augen eines Ogers verborgen blieben. Vielleicht gab es eine geheime Tür oder eine Wand, die sich öffnen ließ. Geschickte Handwerker aus dem Volk der Zwerge konnten all dies bewerkstelligen, ohne dass jemand anderes es sehen konnte.
    Rator nahm ein Ende der Kette auf und ging in Richtung des Geräuschs. Er musste immer wieder stehen bleiben, da das klirrende Gerassel seiner Fessel alles andere übertönte. Gerade als er dachte, er hätte den Ursprung des Knarrens gefunden, schien es aus einer anderen Richtung zu kommen. Immer weiter führte ihn sein Weg in die Höhle hinein.
    Er raffte kleine Haufen der Kette zusammen, um nicht ihre ganze Last ziehen zu müssen, genau wie der Riese es ihm geraten hatte. Doch sosehr er sich auch bemühte, den Ursprung des Geräusches auszumachen, seine Suche endete jedes Mal vor einer nackten Felswand.
    Ein Schatten beugte sich mit einem Mal über ihn. Groß und schleichend, warf er einen langen dunklen Schleier auf die Felsen. Rator wirbelte herum und starrte nach oben, die Arme zur Abwehr ausgestreckt. Zehn Fuß über ihm baumelte ein eiserner Käfig. Er hing an einem Seil, das so dick war wie der Arm eines Menschen, von der Decke herab. Der Käfig, in dem ein Oger leicht Platz gefunden hätte, war bis zur Hälfte gefüllt mit Essen. Rator konnte ganze Laibe Brot erkennen, wie es die Hüttenbauer in Nelbor backten, Kohl, Nüsse, Salz und Erdknollen sowie viele andere Lebensmittel, die er nur vom Sehen kannte.
    Welchem Zweck diente das alles? Wollte man ihn füttern wie ein Tier in Gefangenschaft, oder war dies nur eine weitere Art der Folter? Zu hoch hing der Käfig, um an ihn und seinen Inhalt zu gelangen. Nur ein Riese hätte ... richtig, nur ein Riese hätte ihn erreichen können.
    Wer auch immer diesen Käfig heruntergelassen hatte, wusste anscheinend nicht, dass ein Oger die letzte Wache bis zu Tabals Ankunft übernommen hatte. Rator trat unter dem Käfig hervor. Er musste sich bemerkbar machen.
    »Rator jetzt Wache für Tabal«, brüllte er der Höhlendecke entgegen.
    Erst im Nachhinein fiel ihm auf, wie dumm seine Worte klingen mussten, wenn er tatsächlich nur so etwas wie ein Gefangener war. Egal. Ob dumm oder nicht - etwas Besseres wäre ihm ohnehin nicht eingefallen.
    Nichts tat sich.
    Rators Augen kamen von Tag zu Tag besser mit dem unzureichenden Licht in der Höhle klar. Die kleinen blauen Flammen, die auf dem schwarzen Teich tanzten, verzehrten nur wenig Nahrung. Täglich ein paar Äste, Blätter oder Moose reichten aus, um sie nicht verlöschen zu lassen. Hauptsächlich brannte der schwarze Sud, der lediglich etwas brauchte, um daran emporzuklettern, wie die Flamme am Docht einer Kerze. Das Licht des Feuers war angenehm. Die blauen durchsichtigen Flammen bewegten sich wie Grasbüschel im Wind, und Rator wurde meist müde, wenn er sie länger betrachtete. Jedoch reichten sie nicht, um ihren Schein bis zur Höhlendecke zu schicken, und auch die seitlichen Felswände lagen im Dunkeln. Rator

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