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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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überlassen. Im Nachhinein und beim Betrachten des eigenen Spiegelbilds musste Cindiel zugeben, dass dies bei Weitem das wichtigste Requisit war. Hagrim hatte bei ihrer Frisur ganze Arbeit geleistet, sie selbst erkannte sich selbst kaum wieder.
    Cindiel schlich hinüber zum Schreibtisch. Auf der Arbeitsplatte lagen Seekarten, Papiere, ein Sextant, mehrere Federkiele und ein Brieföffner. Sie nahm den Öffner mit der langen silbernen Klinge und dem Griff aus Malachit an sich. Vorsichtig näherte sie sich der Koje von Kapitän Londor. Der alte Seebär schien einen festen Schlaf zu haben, ganz wie Hagrim nach etlichen Flaschen Wein. Sie hockte sich vor ihn hin und stach mit der Spitze leicht gegen seinen Hintern. Londor regte sich nicht. Cindiel probierte es erneut, mit etwas mehr Druck. Der Brieföffner war genauso wenig scharf wie spitz, und deshalb blieb der Stoff der Hose auch unversehrt. Unversehrt blieb aber auch der Schlaf des Mannes vor ihr. Ein drittes Mal wiederholte sie die Prozedur, diesmal so, dass Londor es sicher spüren würde, selbst nach drei Flaschen Wein.
    »Ah!«, schrie der Kapitän auf, zuckte zusammen und schreckte im Bett hoch. Wie aus dem Nichts präsentierte er die Klinge eines Dolches und hielt sie schützend vor sich. Er blinzelte, um den Schlaf aus den Augen zu bekommen.
    »Du hast dir das falsche Schiff ausgesucht Meuchler«, stammelte er mit drohender Stimme. »Hier gibt es nichts ...«, Londor hielt inne und musterte sein Gegenüber. »Du?«, fragte er entsetzt. »Ich hätte mir denken können, dass sich deine Gesellschaft nicht verbessert hat. Du solltest aufhören, mit diesen Unholden herumzuziehen.«
    Londor war älter geworden. Sein Haar war von grauen Strähnen durchzogen und länger, als Cindiel es in Erinnerung hatte. Es verlieh ihm aber einen Ausdruck von Verwegenheit. Auch in seinem Vollbart spiegelte sich ein silberner Glanz wider. Ein Bauchansatz zeigte sich, und die Haut auf seinem Handrücken konnte sein wahres Alter nicht verbergen. Noch immer war er ein gut aussehender Mann und sicherlich ein Frauenschwarm.
    »Ich habe mich an unser letztes Abenteuer erinnert und an Eure Hingabe und Loyalität. Niemand würde mir einfallen, mit dem ich lieber die Meere durchkreuzen würde als mit Euch. Außerdem seid Ihr geschult im Umgang mit übergroßen Passagieren und ihrer Bewirtung.«
    Kapitän Londor schaute sich in der halbdunklen Kajüte um. Er und die junge Frau waren allein. Der Schlüssel zu seiner Tür steckte immer noch im Schloss, und gewaltsam schien sie nicht geöffnet worden zu sein. Der einzige Weg hier herein war ein Fenster, und dies war unbestreitbar zu klein für einen Oger.
    Londor setzte eine selbstsichere Miene auf. »Du musst mich verwechseln mit einem deiner Freunde aus dem Bauerndorf, aus dem du kommst. Ein Kapitän Londor macht einen Fehler nicht ein zweites Mal. Als ich gehört habe, dass diese tumben Kreaturen wieder auf dem Weg nach Sandleg sind, habe ich mich gefragt, was sie hier wohl suchen mögen. Zur Antwort fiel mir nur ein, dass sie wieder einmal ein Schiff brauchen. Du hättest sehen sollen, wie schnell die Mannschaft die Sturmwind enttäut hatte und wir hier draußen, fast fünfhundert Schritt vom Land entfernt, vor Anker gingen. Deine Freunde haben mein letztes Schiff versenkt, die Sturmwind II wird sicherlich nicht das gleiche Schicksal ereilen. Wie dir sicherlich aufgefallen sein wird, sitze ich hier auf meinen eigenen Planken. Solch ein Überraschungsangriff wie letztes Mal wird dir heute nicht wieder glücken.«
    Cindiel erinnerte sich noch gut an ihren ersten Überredungsversuch, sie und eine Hand voll Oger nach Wasserzahn zu bringen. Er endete damit, dass Mogda von unten durch den Fußboden in der Kneipe im Hafenviertel brach, sich Londor schnappte, schüttelte und ihre Bitte mit etwas mehr Nachdruck neu verhandelte.
    Cindiel lächelte verschämt. »Ich hatte gehofft, die Abenteuer vom letzten Mal hätten Euch zu einem Streiter für ausweglose Situationen gemacht. Wenn dem nicht so ist, könnte ich Euch noch mit meinen weiblichen Reizen locken.«
    »Mädchen, du bist flach wie ein Brett und hast die Zunge einer Schlange. Außerdem ist die Art, einem Mann schlaflose Nächte zu bereiten, indem du ihn mit einem Brieföffner aus den süßesten Träumen reißt, nicht gerade förderlich, um ihn zu bezirzen. Ich muss dich enttäuschen, aus uns wird nichts. Du kannst anstellen, was du willst, mein Schiff bekommst du auf keinen Fall.«
    »Schade«,

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