Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
bevor wir Argaht überhaupt sehen können. Ich hoffe, ich habe dir damit einen kleinen Vorgeschmack auf das gegeben, was euch erwarten würde.«
Cindiel war nicht so beeindruckt, wie Londor es gehofft hatte. Ihr Gesichtsausdruck zeigte Gleichgültigkeit. Hagrim hatte ihr im Laufe der Jahre so viele wunderliche Geschichten erzählt, dass sie das Seemannsgarn eines alten Kapitäns, der seinen Kopf aus der Schlinge ziehen wollte, nicht ängstigen konnte. Anscheinend hatte Londor immer noch das Kind vor Augen, als das er sie vor Jahren kennen gelernt hatte.
»Dann lasst Euch was einfallen«, sagte sie kalt. »Ihr könnt Euer nasses Grab dort draußen haben oder hier im Hafenbecken. Mir ist es egal.«
Cindiels Drohung zeigte mehr Wirkung, obwohl es eine leere Drohung gewesen war. Der Kapitän war ihr nicht egal. Londor hatte ihnen vor Jahren schon einmal geholfen. Auch wenn es zu Anfang nicht ganz freiwillig gewesen war, hatte er sich nach einiger Zeit als Mitstreiter und guter Freund herausgestellt. Sie hatte ihm nie richtig danken können.
»Wir werden die Hilfe der Oger brauchen, wenn wir in See gestochen sind«, sagte Londor. »Ich habe nur sieben Mann Besatzung, der Rest ist in Osberg, Grimmfurt und wer weiß, wo sonst noch. Glaubst du, sie sind dazu bereit?«
»Das werden sie sein.«
Cindiel verschwand, wie sie gekommen war. Alles, was sie zurückließ, waren die beiden Oger an Deck und ein flaues Gefühl im Magen von Kapitän Londor. Eine halbe Flasche Rotwein aus Lorast reichte aber, um seinen Mut und die Abenteuerlust aus vergangenen Tagen wieder zurückzubringen.
21
Zurückgelassen
Kalter Rauch füllte die Lagerhalle. Das große Tor stand einen Spalt breit offen, und das Licht des Tages schien herein. Wie eine zähe Masse versuchte die stickige Luft, sich im Schutz der Wände zu behaupten. Losgerissene Fetzen wurden durch den Spalt herausgesogen und von der frischen, klaren Winterluft ersetzt. Wie schlammiges Wasser, das man mit klarem aufgoss, vermengten sich die Luftschichten, doch verschwand die Trübheit nie ganz.
Mogda war allein. Das Feuer musste irgendwann zum Morgen hin ausgegangen sein, und wie jeden Tag war es kälter als zuvor. Der Winter war hereingebrochen, obwohl der Herbst kaum begonnen haben sollte. Aber es war nicht die Kälte, die Mogda geweckt hatte. Die frostigen Temperaturen im Flachland waren nichts gegen das, was er aus den Bergen kannte. Geweckt hatte ihn eine Stimme oder besser gesagt, ihr unangenehmer Unterton. Wenn ihn nicht alles täuschte, war es die Stimme vom Hohepriester Ochmalat, der zu seinen Gefolgsleuten sprach. Es war nicht der Klang eines Gebetes oder der Zuspruch eines Klerikers für seine Gemeinde in schweren Zeiten, es klang nach Hetzreden, die der Priester da von sich gab. Keifend drangen die Worte an Mogdas Ohren und zwangen ihn, seine Augen zu öffnen und die Hand auf seinen Schwertgriff zu legen. Der Oger konnte nicht alles verstehen, aber immer wieder drangen einzelne Worte oder Wortfetzen zu ihm durch. Allein diese reichten, um den Sinn der Rede zu erfassen.
»Kreaturen des Bösen ... Unholde ... nicht dulden ... vernichten ... vertreiben ... vom Antlitz dieser Erde schwemmen.«
Mogda hatte solche Reden schon oft vernommen, nur waren sie nicht aus dem Mund eines Menschen gekommen. Damals waren es die Nesselschrecken, die Tabals Kinder mit solchen Reden gegen die anderen Völker Nelbors aufzuwiegeln versuchten. Geändert hatte sich seitdem nicht viel, nur die Seiten waren vertauscht. Gut gegen Böse, Chaos gegen Ordnung, es war immer das Gleiche. Jeder, egal ob ein Kind Tabals oder eins von Prios, alle kannten sie die Ordnung der Götter, und sie wussten, dass Tabal und Prios im Rad der Welt jeweils ein Ende der gleichen Speiche waren.
Es kam darauf an, das Gleichgewicht zu erhalten, denn ohne die andere Seite begann das Rad zu trudeln und von der Achse zu laufen. Es war erst zwei Jahre her, da Eliah es fast geschafft hatte, das Gleichgewicht zu zerstören. Noch immer hatten sich die Götter nicht von diesem Kampf erholt, oder vielleicht waren sie auch gegangen, und dennoch schien es niemand zu begreifen. Noch immer kämpften die Völker gegeneinander und versuchten, jeden, der anders war, zu töten, bis ein Volk allein herrschte.
»Nein, das stimmt nicht«, flüsterte Mogda zu sich selbst, als ob seine Stimme mehr Gewicht hätte als seine Gedanken. »Die Menschen sind es, die dies wollen - nicht wir.«
Als Mogda die Lagerhalle verließ, straften ihn
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