Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
eilten weiter durch die dunkle Halle, bis sie plötzlich endeten.
»König Arbalosch empfängt heute niemanden mehr«, sagte eine rauchige Stimme.
»Ich bin Trumbadin - Amme, Bruder und Vater der Wächter. Habt ihr das Horn nicht gehört und den Gong, der die Ankunft einläutet? Die Neuigkeiten, die ich bringe, können nicht warten. König Arbalosch würde eure Köpfe auf einem glühenden Amboss formen, wenn ihr mir den Eintritt verwehrt. Er selbst hat mir befohlen, unverzüglich zu melden, wenn ein neuer Wächter sein Amt antritt. Ich würde ihn ungern enttäuschen und mein Nichterscheinen mit euren belanglosen Befehlen begründen.«
Einen Augenblick lang herrschte Stille, dann sagte die erste Stimme wieder: »Ihr könnt passieren, Trumbadin, Amme, Bruder und Vater der Wächter.«
Knarrend öffnete sich eine Tür, und fahles Licht erhellte einen kleinen Teil der Halle mitsamt den drei Zwergen. Trumbadin trat durch das Portal hindurch, während die anderen beiden einen unsicheren Blick in die Halle dahinter warfen. Ihre Rüstungen waren ähnlich geschmiedet wie die von Trumbadin, nur weniger verziert. Trumbadin hatte noch keine zehn Schritte in die Halle getan, da hörte er, wie die Tür wieder geschlossen und der Riegel vorgeschoben wurde.
Hatte man gedacht, die Halle mit der Statue wäre groß, wurde man hier eines Besseren belehrt. Selbst Trumbadin, dessen Vater noch mitgeholfen hatte, dieses Gewölbe zu bauen, war immer wieder fasziniert, wenn er den Thronsaal des Königs betrat, was allerdings nicht sehr oft vorkam. Trumbadins letzter Besuch mochte fast dreißig Jahre zurückliegen.
Der Thronsaal von König Arbalosch maß achthundert Schritt in der Breite und über tausend Schritt in der Länge. Hohe steinerne Säulen, die nach oben hin breiter wurden, stützten die Decke. Versetzt daneben standen gemauerte Becken, deren Innenseiten mit Bronzeschalen ausgekleidet waren. Sie dienten als Lichtquelle in dem unterirdischen Gemäuer. Befüllt waren sie mit einer Mischung aus Pech, Alkohol und Wachs, die sich als besonders ergiebig erwiesen hatte und mit einer hellblauen Flamme brannte.
Trumbadin fröstelte. Hier oben, nahe der Oberfläche war es kälter als in den tiefen Kammern, die bis weit nach unten zum Spalt reichten. Sein Körper hatte sich an die angenehme Wärme seines Laboratoriums gewöhnt, trotzdem tat es seinen Lungen gut, endlich mal wieder klare, saubere Luft einzuatmen. Der Thronsaal war schier endlos, und der weite Weg bis hin zum Thron ermüdete Trumbadins Füße mehr, als ihm lieb war. Er erinnerte sich noch genau daran, wie er seinen Vater gefragt hatte, warum der König so einen großen Saal brauchte. Sein Vater hatte ihn mit strengen Augen angestarrt, wie er es oft getan hatte, und erklärt: »Ein Bittsteller, der zum König vorgelassen werden will, sollte sich auf dem Weg zu seinem Herrscher darüber Gedanken machen, ob er Seine Majestät auch wirklich mit seinem Anliegen belästigen will. Sollte er zu dem Schluss kommen, dass dem nicht so ist, kann er immer noch still und heimlich auf halbem Wege umdrehen.«
Im Laufe seines Lebens hatte Trumbadin noch weitere Mutmaßungen über den Sinn der Größe dieser Halle gehört. Sie war so groß, weil der König gern allein war und so die Möglichkeit hatte, seine Wachen außer Sichtweite zu postieren. Andere behaupteten, der König wolle die Götter selbst einladen, wenn sie wieder erwacht waren, um ihnen ein kräftigendes Mahl anzubieten, und wiederum andere sagten, er bräuchte diese Halle, um all seine Schätze darin aufzubewahren, wenn die Götter ihn entlohnt hatten. Trumbadin dachte, dass sie allesamt falsch lagen. Er war der Meinung, dass König Arbalosch eine so große Halle hatte bauen lassen, weil er König Arbalosch war. Könige waren die einzigen eines Volkes, die etwas taten, nicht weil sie es brauchten, sondern weil sie es tun konnten. Trumbadin selbst reichte seine kleine Kammer tief in der Erde, mit all den Tiegeln, Mörsern, Phiolen und Flaschen, die er dort hortete. Besonders stolz war er auf die Schriften der verschiedenen Völker, die von ihren Göttern und ihrer Geschichte berichteten. Er hatte sie binden und mit einem festen Ledereinband versehen lassen. In Blattgold hatte er dem Buch einen Namen gegeben: »Das Buch der Götter«.
Trumbadin musste sich keine Gedanken darüber machen, ob er beim König wirklich vorstellig werden sollte oder nicht. So viele Jahre hatte er in seiner Kammer gesessen und auf diesen einen Tag
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