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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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Schiff ohne Segel und mit niemandem im Ausguck kann auch von einem Käpten mit Loch im Bauch gesteuert werden«, hatte er gesagt und dabei nicht wie sonst gelacht. Irgendeiner der Mannschaft musste erzählt haben, was mit Ingert passiert war, und nicht ausgelassen haben, dass Mo nicht ganz unbeteiligt am Tod des Seemannes war.
    Der Steuermann war unter Deck verschwunden und hatte sich seitdem nicht wieder blicken lassen.
    Londor wies seine Männer an, die Leckagen am Bug des Rumpfes mit Decksplanken so gut wie möglich abzudichten. So schnell, wie die Arbeiten begonnen hatten, so schnell mussten sie auch wieder abgebrochen werden. Der vordere Laderaum stand kniehoch unter Wasser, und die Männer unterkühlten schon nach wenigen Minuten. Man benötigte Kraft und Ausdauer für die Reparaturen, aber die Männer spürten ihre Gliedmaßen kaum noch. Mogda, Galok und Purgol boten sich an, die Arbeiten zu beenden. Sie ließen sich zeigen, was zu tun war, doch schon nach den ersten Hammerschlägen stellte sich heraus, dass es unmöglich war.
    Das Werkzeug half zwar, die Lecks von den überstehenden Bruchstücken zu befreien, es trieb die eisernen Dornen durch das Holz der Planken, dichtete die Löcher ab, aber es entstanden immer wieder neue Risse. Das eiskalte Wasser ließ die schwarze klebrige Dichtmasse zwischen den Bohlen splittern wie Glas. Mit jedem Hammerschlag wanderten die Risse weiter, und andere Lecks bildeten sich.
    Tinnert erklärte, man benötige Kauder und Pech zum Abdichten, doch für solche Arbeiten müsste das Schiff wenigstens im Hafen liegen, besser wäre es noch, es an Land zu bringen. Londor entschied, den vorderen Laderaum so gut wie möglich abzudichten und dann von den anderen Räumen abzutrennen. Tinnert und Griss, die beiden erfahrenen Seeleute, zogen eine halbhohe Wand zwischen dem ersten und zweiten Laderaum. Sie dichteten sie mit altem Segeltuch ab und nagelten Stützen dagegen.
    Mordigwel hatte die Arbeit nur mit grimmiger Miene begutachtet und gesagt: »Damit ist die Sturmwind auch nicht zu retten, nur der nasse Tod flüstert jetzt nicht mehr in unser Ohr. Wir werden ihn erst wieder hören, wenn er unsere Namen brüllt.«
    Mogda hatte nicht verstanden, was der Steuermann damit meinte, doch Tinnert hatte es ihm erklärt.
    »Die Wand schützt davor, dass das Wasser die anderen Laderäume langsam überflutet und die Sturmwind immer mehr Tiefgang bekommt. Somit ist das Schiff besser zu manövrieren. Sollte der Pegel aber irgendwann so hoch sein, dass das Wasser über die Wand schwappt, sinkt die Sturmwind in wenigen Minuten und wird uns alle mitreißen.«
 
    Mogda hatte seit zwei Tagen nicht mehr geschlafen. Die Vorstellung daran, dass er erwachte, weil das kalte Wasser nach ihm griff, hielt ihn wach. Es war egal, ob Mensch oder Oger - wer hier ins eisige Meer fiel, starb nach wenigen Minuten. Mogda wollte nicht trunken vom Schlaf und in Panik sterben, er wollte dem Gott des Wassers seine Verfluchungen entgegenbrüllen, wenn es so weit war.
    Um dem Tod ein bisschen ferner zu sein, hatte er sich einen Platz auf dem Achterdeck über der Kombüse gesucht. Dort auf dem Holzdach drang immer etwas Wärme von den Öfen hindurch, und außerdem duftete es angenehm nach Essen. Es gab meilenweit keinen Platz, an dem er hätte lieber sterben wollen, wenn die Götter ihm schon so ein Ende vorherbestimmt hatten. Außerdem saß er hier im Rücken von Londor und spürte nicht ständig die anklagenden Blicke des Kapitäns, die unentwegt zu schreien schienen: »Gebt mir ein Leben nach dem Tod auf einem Schiff in einer Welt aus Wasser, in der es keine Oger gibt.«
    »Land!«
    Der Ruf von Negol schien alle Probleme mit einem Mal im Wasser zu ertränken. Der Kriegsoger hatte sich selbst zum Nachfolger von Ingert erklärt. Zu jeder Zeit stand er am Bug des Schiffes, umklammerte den Fockmast und sandte seinen Blick so weit es ging voraus.
    Oger und Seeleute strömten gleichermaßen auf das Vordeck, um einen Blick auf das rettende Land zu werfen. So klar der Ruf von Negol auch gewesen sein mochte, das Bild, das sich den Kriegern und Seeleuten bot, war weniger eindeutig. Vor ihnen lag eine weiße Wand aus fernem Nebel, Schnee und Eis, die zu verschmelzen schien mit den grauen Wolken am Horizont. Jeder sah etwas anderes: ein Haus, eine Felswand und sogar einen Hafen, doch waren es nur Trugbilder in ihren Köpfen, gesät von der Hoffnung.
    »Dort!«, zeigte Negol. »Rauch von Feuer.«
    Mogda brauchte einen Augenblick, um

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