Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
Schweigen brach.
»Die Kleriker des Prios ziehen durch das Land und versuchen, jeden Bauern, jeden Händler und jeden Söldner zu rekrutieren, den sie bekommen können. Sie nehmen sogar Kinder in ihre Armee auf. Nach dem Tod des Priesters in Osberg hat Ochmalat ein Heer zusammengestellt und zog in den Norden, um die Kreaturen Tabals aus den Bergen zu locken und sie anzugreifen. Es gab eine Schlacht an der Küste, doch ein Trupp von Ogern schaffte es bis nach Sandleg durchzudringen. Dort wurden sie von Ochmalats Truppen belagert, doch mit einer List konnten sie Ochmalat töten, das Heer zerstreuen und auf einem Schiff flüchten. Gerüchte verbreiteten sich. Einige sprachen davon, dass Mogda, ihr Anführer, zurückgekehrt sei. Andere behaupteten, sie wurden von einer Hexe und einem Krieger angeführt.«
Finnegan sah Cindiel tief in die Augen, doch sie schien noch nicht bereit zu sein, ihm zu antworten, stattdessen übernahm Hagrim diese Rolle.
»Das klingt auf jeden Fall schon besser als ›alter Mann‹«, sagte er. »Was die genannten Personen betrifft, gibt es nicht viel hinzuzufügen. Nur dass wir die Kreaturen Tabals anführen sollen, ist ein wenig zu viel der Ehre. Lediglich diese beiden überaus gut aussehenden und ständig wie Waschweiber plappernden Kerlchen hier neben mir begleiten uns. Besser noch, sie laufen den ganzen Tag stur in eine Richtung, und wir folgen ihnen, in der Hoffnung, dass sie wissen, wohin wir wollen. Allerdings habe ich langsam die Befürchtung, sie ändern nie die Richtung, weil sie zu dumm sind, abzubiegen. Ihre Weisungen haben sie von Mogda, der noch sechzig weitere von ihnen kommandiert.«
Hagrim spielte wieder einmal mit dem Feuer. Einzig die Tatsache, dass die beiden Oger seine Unverschämtheiten nicht verstanden, schützte ihn davor, sich zu verbrennen. Der Geschichtenerzähler liebte solche Spielchen und ließ keine Situation aus, dies auszuleben.
»Jetzt verstehe ich«, sagte er zu Finnegan. »Du hattest angenommen, Mogda hier mit uns anzutreffen, und hast darauf gehofft, dass er dich wiedererkennt. Stattdessen bist du hier von Schwachsinn und Trübsinn begrüßt und zu einem unfreiwilligen Bad gezwungen worden.«
»So ähnlich«, stimmte Finnegan gereizt zu. »Das sind aber noch nicht alle Neuigkeiten, die mir zu Ohren gekommen sind. Mein Vater, Tyvell, ist zum Lord der Hohepriester ernannt worden. Er führt eine Armee von Spähern, Söldnern und leicht gerüsteten Kämpfern an. Er durchstöberte das Land nach etwas, von dem er meint, das es ihm gehört. Er sucht einen der Funken der Götter. Irgendwie muss es ihm gelungen sein, in den Besitz des Steins zu kommen und seine Macht zu kontrollieren. Nach dem, was ich gehört habe, hat er ihn an Ochmalat weitergegeben, um die Macht des Tempels unter Beweis zu stellen. Zum Bedauern meines Vaters ist dieser Stein verschwunden, als Ochmalat ums Leben kam. Jetzt ist er der festen Ansicht, einer der Oger habe den Stein genommen und bringe ihn zurück zum Drachenhorst. An jedem Pass und jedem Durchgang hat er seine Männer postiert, damit er wieder in den Besitz des Funkens kommt.«
Cindiel stand auf und sah zu Finnegan herab. Sie schien sich zu fragen, woher Finnegans Vater von dem Funken der Götter überhaupt wusste. Nur wenige wussten, was in den letzten Jahren passiert war. Die Funken der Götter waren seit jeher nicht mehr als eine Geschichte gewesen, und nur die, die bei Eliahs Tod dabei gewesen waren, wussten um ihre wirkliche Existenz. An Finnegans schuldbewusstem Gesicht sah sie, dass sie die Antwort lieber nicht wissen wollte.
Cindiel ging hinüber zu Gnunts Habseligkeiten und kramte in dessen Beutel. Sie holte ein zusammengefaltetes Tuch hervor, trug es hinüber zu Finnegan und legte es ausgebreitet vor ihm hin.
»Danach sucht dein Vater«, sagte sie eisig. »Er wird den Kristall nicht im Drachenhorst finden und auch sonst nirgendwo, dafür werde ich sorgen.«
28
Die Insel Argaht
Die Sturmwind besaß mittlerweile nicht mehr Seetüchtigkeit als eine im Wasser treibende Holztür. Einzig das Großsegel war noch halbwegs einsatzbereit. Sämtliche Wanten, Zugseile und Umlenkrollen waren vereist und taugten höchstens als Stolperfallen, aber nicht, um ein Schiff zu steuern. Kapitän Londor hatte sich von seiner Verletzung erholt und wieder seinen Posten auf dem Achterdeck eingenommen. Mordigwel hatte versucht, ihn zu überreden, seine Verletzung länger auszukurieren, doch der Kapitän stieß ihn rüde zurück.
»Ein
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