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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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ohne ein Loch hineinzureißen. Mit einem großen Schritt trat er auf den Vorsprung und drehte sich zu dem Störenfried in der Felswand um. Mit vielem hatte der Oger gerechnet: mit Baumwurzeln, die es hier oben eigentlich nicht gab, oder mit Skelettfingern, die wegen seiner gotteslästerlichen Ausrufe nach ihm griffen. Aber mit einem hatte er sicherlich nicht gerechnet: mit einem Kletterhaken, der zuvor nicht dort gewesen war.
    Fassungslos starrte Mogda auf das gebogene Stück Metall. Der Haken hatte noch keinen Rost angesetzt, und der abgeplatzte Stein drum herum war noch nicht wieder vereist. Es gab nur einen Grund, warum jemand den halbwegs sicheren Pfad zum Gipfel meiden und die schwierige Kletterpassage an einer Steilwand auf sich nehmen würde: Er wollte sich ungesehen nähern. Zusammen mit dem Fremden und dem durchgeschnittenen Seil, dass nun wie eine Finte aussah, gab es nur eine logische Erklärung: Sie wollten ihm eine Falle stellen.
    Die Kletterhaken führten die Felswand hinauf. Dreihundert Fuß über ihm lag das benachbarte Plateau. Von dort gelangte man zu dem Baumstamm, der über der Kluft lag und die Fremden genau zu seiner Höhle brachte. Egal, was sie im Schilde führten, Mogda musste vor ihnen wieder dort sein. Den Weg zurück zu nehmen, auf dem er gekommen war, würde zu lange dauern. Er musste etwas tun, womit die Fremden nicht rechneten - etwas, das er zuvor selbst nicht für möglich gehalten hätte.
    Mogda steckte seinen Zeigefinger durch den eisernen Ring des Kletterhakens und überprüfte dessen Halt. Der Felsnagel war tief in das Gestein geschlagen worden und schien selbst dem Gewicht eines Ogers standzuhalten. Mogda zog sich an dem Haken hoch. Seine Füße versuchten, an der Wand Halt zu finden und etwas Entlastung zu bringen. Mit eisiger Kälte schnitt sich das Metall des Ringes in Mogdas Finger. Schnell wurde aus dem Schmerz ein taubes Gefühl. Erst als der Oger mit dem Finger der anderen Hand in den nächsten Ring griff, kamen die Schmerzen zurück.
    So wechselten sich Qual und Taubheit gegenseitig ab und wurden zu einer schier endlos wirkenden Folter. Die Abstände zwischen den Haken waren für einen Oger kein Problem, aber das Gewicht, das an seinem Finger riss - sein Gewicht -, stellte seine Gliedmaßen im wahrsten Sinne des Wortes auf eine Zerreißprobe. Jedes Mal, wenn seine Füße festen Untergrund fanden, gönnte er sich eine kleine Verschnaufpause und umklammerte, dicht an den kalten Stein gepresst, den Felsnagel mit seinen Händen.
    Haken um Haken eroberte Mogda Grothaks Herausforderung. Er hoffte, dass der Gott der Erde ihm seine Worte nicht übel genommen, sie vielleicht gar nicht erst gehört hatte. Mit jedem Stück, das er dem Plateau näher kam, schwanden seine Kräfte, aber sein Wille, den oder die Fremden aufzuhalten, stieg. Erschöpft und übersät mit Schürfwunden und Prellungen, erreichte er schließlich den rettenden Vorsprung. Mit seinen taub gewordenen Fingern tastete er nach einem Halt, der es ihm ermöglichte, sich über den Rand zu ziehen. Mit letzter Kraft hievte er sich auf das Plateau und blieb einen Augenblick bäuchlings auf dem frostigen Boden liegen.
    Es schneite immer noch, nur der Wind hatte nachgelassen. Schattenhaft zeichneten sich die Spuren derer im frischen Schnee ab, die er verfolgte. Mogda blieb keine Zeit, die Abdrücke zu untersuchen. Ein kurzer Blick verriet ihm, dass es wenigstens drei Menschen waren, die es galt einzuholen. Er musste bei ihnen sein, bevor sie den Übergang über die Schlucht fanden. Zielstrebig und ohne den Spuren weiter zu folgen, setzte er sich in nördliche Richtung in Bewegung. Im leichten Trab bahnte er sich den Weg durch den knöcheltiefen Schnee. Einhundert Schritt, weiter konnte man bei dieser Witterung nicht sehen. Alles, was dahinterlag, wurde von dem weißen Schleier des fallenden Schnees geschluckt. Aber Mogda brauchte auch keine sichtbaren Orientierungspunkte, er kannte das Plateau in- und auswendig und hoffte, dass dieser Vorteil ausreichte.
    Es konnte nicht mehr weit sein, vier- oder fünfhundert Schritt noch, dann musste er den Übergang erreicht haben. Von den Fremden war immer noch nichts zu sehen.
    Mogda kniff die Augen zusammen und blinzelte den Schnee von den Wimpern. Ein Schatten schob sich vor die trübe Scheibe des Mondes und verschwand gleich darauf wieder. Einen Moment später drängte sich der nächste Schatten ins Mondlicht. Es waren die Silhouetten von schwer bepackten Männern. Ein großes

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