Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
zuvor. »Das ist furchtbar interessant, doch warum erzählt Ihr mir das alles?«
»Die Kette«, stöhnte Trumbadin. »Sie ist vor langer Zeit von meinem Volk geschmiedet worden. Wir hatten uns schuldig gemacht, indem wir in den Willen der Götter eingegriffen haben. Wir haben einen der Funken der Götter in unseren Besitz gebracht und ihn von seinem Ursprungsort entfernt. Die Kette verbindet nun, was durch Götterhand geschützt lag.«
»Faden verloren«, brummte Mogda, dem dieses Gespräch langsam lästig wurde.
»Wir haben die Wächter an einen der Funken gekettet - an den Funken der Ordnung.«
Jetzt verstand Mogda, was Trumbadin ihm sagen wollte. Um das Gleichgewicht zu erhalten und die Kräfte voreinander zu schützen, verband man die Quellen der Götter mit dem Element, welches ihnen im Rad gegenüberlag. Wahrscheinlich hatte man den Funken des Feuers im Meer versenkt und den Funken der Luft tief in der Erde vergraben. Der Stein der Magie ruhte in dem alten Baum Mystraloon, sofern Cindiel mit ihrer Mission Erfolg gehabt hatte, und der Stein der Natur wurde bei den magischsten Wesen, die dieses Land zu bieten hatte, gefunden - den Drachen. Es war Mogdas Aufgabe, nach dem Kampf mit Eliah den Splitter der Natur fortzubringen. Ungewollt hatte er das richtige Versteck für den Rubin gefunden, ein Ort, der dem Alten ebenbürtig schien. Doch jetzt stellte sich die Frage, ob der Platz, den die Zwerge für den Funken der Ordnung gesucht hatten, richtig gewählt war. Konnte der Splitter in den Händen eines Gottes noch existieren? Wenn Tabal auf der Welt erschiene, würde er der Gegensatz zur Ordnung sein oder würde er den Stein mit seiner Macht zerquetschen und das Gefüge abermals erschüttern? Stürzte Tabal mit seiner Ankunft die Welt ins Chaos? War das Schicksal vielleicht nur eine düstere Prophezeiung?
Mogda sah Trumbadin dieselben Zweifel an, die auch in ihm hochkamen. Beide waren sie Anhänger desselben Gottes - Tabal, dem Herrn des Chaos. Solange Mogda sich erinnerte, hatte er für die Macht und die Verbreitung seines Glaubens gekämpft. Er war sich sicher, dass auch der Zwerg seinen Teil geleistet hatte, um Tabal zu huldigen. Doch eine Welt, die allein unter der Herrschaft des Chaos geleitet wurde, war es das, was sie erwartete - und war es das, was sie wollten? Noch vor Jahren hätte Mogda dem zugestimmt, doch nun, mit dem Wissen um das Gleichgewicht, hatte sich alles verändert.
»Wir werden tun, was das Schicksal für uns bereithält«, sagte Mogda. »Das Schicksal ist kein dünner Faden, es ist ein Gespinst wie ein Netz. Wenn man die Augen und Ohren offenhält, hat man die Möglichkeit, abzubiegen und auf einem anderen Faden weiterzuklettern. Wir können nur versuchen unser Bestes zu geben. Jetzt folgen wir dem Weg weiter, den wir eingeschlagen haben.«
»Und was ist, wenn dieser Faden keine weitere Abzweigung hat, sondern nur noch genau ins Zentrum führt?«, gab Trumbadin zu bedenken.
»Die Mitte ist nicht das Ende, sondern nur die Möglichkeit, von dort aus woanders hinzugelangen. Kommt, ich brauche das Schild.«
Trumbadin und Mogda verließen die Halle der Sterne wieder und wandten sich erneut den Stufen zum Panthenoptikum zu. Bevor Mogda die ersten der zweihundert Stufen betrat, blickte er noch einmal den Maester an.
»Ihr wisst viel über die Götter und ihren Willen. Ihr kennt sogar die Macht der Funken. Wisst Ihr auch, wo sich der Splitter des Chaos befindet?«
Der Maester sah zu Boden und schien zu überlegen, ob es weise sei, dem Oger zu sagen, wo der Quell von dessen Macht lag.
»Warum interessiert Euch das? Es ist nicht gut, sich mit Wissen zu belasten, das einen dazu bringen kann, eine Dummheit zu begehen.«
»Es ist vielleicht vonnöten, wenn das, was wir gerade tun, eine Dummheit ist.«
Trumbadin nickte verständnisvoll. »Ich muss Euch warnen. Wenn ein tonnenschwerer Stein ins Wanken gerät, besteht die Lösung nicht darin, dass man von der anderen Seite dagegenhält. Wer klug ist, versucht zu flüchten.«
»Das mag vielleicht für Zwerge gelten, doch ich bin ein Oger«, wandte Mogda ein. »Wenn es Steine regnet, haben wir sie vorher auch mit einem Katapult abgeschossen. Steine fallen nicht einfach irgendwo herunter. Sagt es mir. Wo ist der Funken des Chaos?«
»Er befindet sich in einem Land namens Kasithien. Ich selbst war noch nicht dort, doch man sagt, die größten Wälder und die höchsten Bäume wären dort zu finden. Kasithien ist ein friedliches Land. Der Funken des
Weitere Kostenlose Bücher