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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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rannte er unentwegt - und warum - weil eine Stimme zu ihm sprach? Es hatte Jahre gedauert, bis er sich an seine eigene Stimme gewöhnt hatte. Von dem Tag an, als er sich das magische Amulett von Meister Trebor umgelegt hatte, wohnte in ihm dieser Fremde. Seine Gedanken, seine Sprache, sein Verhalten, alles hatte sich verändert. Erst als ihm das Amulett vom Hals gerissen worden war, stellte er fest, dass all diese Dinge schon immer in ihm geschlummert hatten und die Magie des Kleinods nur den Anstoß gegeben hatte. Jetzt jedoch war es anders. Als er das Schwert bekommen hatte, waren Visionen in seinem Kopf entstanden. Das Schwert und der schwarzen Splitter zusammen steuerten Gefühle und Empfindungen, die ihn betrafen. Jetzt, da alle göttlichen Gegenstände in seinen Händen lagen, formte sich diese Stimme in seinem Kopf, die ihm unentwegt Befehle gab.
    Womit habe ich das verdient?, fragte sich Mogda. Fast jeder seines Volkes kam damit zurecht, seine Gedanken allein um die nächste Mahlzeit kreisen zu lassen und dies, falls nötig, in bruchstückhaften Sätzen von sich zu geben. Sie schienen nicht weniger unglücklich als er, hatten nicht dieses Gefühl, über alles nachdenken zu müssen, und mussten vor allen Dingen nicht auf jemanden hören, der in ihrem Kopf sprach.
    »Lauf weiter, Mogda, das Schicksal wartet nicht.«
    Am liebsten hätte Mogda die Hände um den Hals der fremden Stimme gelegt, wenn es nicht sein eigener gewesen wäre. Die Erfüllung eines Schicksals und auf den Spuren einer tausend Jahre alten Prophezeiung zu wandeln hatte er sich anders vorgestellt, als allein und gehetzt durch den Schnee zu laufen, um ein Schwert, einen Schild und einen Kristall in eine Erdspalte zu bringen. Mogda wünschte sich, Trumbadin wäre bei ihm. Leider standen die kurzen Beine des Zwerges im Gegensatz zu der Eile, die die Stimme ihm geboten hatte. Der Maester hätte ihm sicherlich einiges darüber sagen können, wie es war, ein billiger Lakai der Götter zu sein. Schließlich hatte er fast sein ganzes Leben damit zugebracht, am Riss zu hocken und zuzusehen, wie ein Wächter nach dem anderen seinen Dienst antrat.
    Mogdas Beine wurden von Wärme durchflutet, und seine Muskeln spannten sich an. Die Artefakte hatten ihn in ihren Bann gezogen und ihn zu einer Marionette gemacht. Sie lenkten seine Gefühle, sprachen in seinem Kopf, und nun trieben sie auch noch seine Beine vorwärts.
    »Anstatt meine Beine zu wärmen, könntet ihr lieber meinen Magen füllen«, fluchte er. »Was nütze ich euch, wenn ich erschöpft und halb verhungert einer Armee entgegentreten soll?«
    »Du wirst nicht zu kämpfen brauchen«, erwiderte die Stimme. Deine Aufgabe ist es, uns zum letzten Wächter zu bringen.«
    Mogda zuckte zusammen, doch es hatte wenig Zweck, vor etwas zu erschrecken, was in einem war. Dennoch, bislang hatte die Stimme noch nie auf eine seiner Fragen reagiert. Jetzt, wo er das erste Mal eine Antwort bekommen hatte, fürchtete er sich, weitere Fragen zu stellen. Er hatte sein Schicksal zu erfüllen, doch wie sah es mit seinen eigenen Wünschen aus?
    »Was muss ich tun?«, flüsterte er, weil er nicht wusste, ob die Stimme ihn hörte, wenn er die Worte nur in Gedanken formte.
    »Laufen«, dröhnte es wieder in seinem Kopf.
    »Was passiert, wenn ich euch dem letzten Wächter übergeben habe?«
    Die Stimme schwieg.
    Euch, dachte Mogda. Jetzt ist es schon so weit gekommen, dass ich mit Gegenständen rede. Wie tief konnte man sinken? Wenn die anderen Oger ihn schon früher als merkwürdig empfunden hatten, wie würden sie darauf reagieren, wenn sie sahen, dass er sich mit seinem Schwert unterhielt? Er tröstete sich damit, dass es nicht selten vorkam, dass andere seines Volkes mit ihrem Essen sprachen. Doch waren sie nicht so verrückt, auf eine Antwort zu hoffen.
    »Was passiert mit mir, wenn ihr den Thron erreicht habt?«, forderte er erneut zu wissen.
    »Du wirst sterben!«
    Es war nicht das erste Mal, dass man Mogda prophezeite zu sterben. Wie viele mutige Recken hatten sich ihm schon entgegengestellt und behauptet, sie würden ihn töten, wenn er nicht ihr Vieh in Ruhe lassen würde, dies oder jenes zurückgab, nicht dahin ginge, wo er herkam, oder nicht tat, was von ihm verlangt wurde. Fast jeder von ihnen lag jetzt als Gerippe unweit von dem Ort entfernt, dem sie Mogda zugedacht hatten. Allesamt hatten sie sich überschätzt, und es waren nicht nur großspurige Ritter, dummdreiste Orks oder vor Angst schlotternde Bauern,

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