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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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Chaos liegt in einem Wald in einem Tal, bewacht von einem Einhorn.«
    »Einhorn?«, fragte Mogda ungläubig.
    »Ja, es ist ein Wesen, so rein und unschuldig, wie es kein zweites auf der Welt gibt. Sein weißes Fell wird nur noch von dem Glanz der Sonne übertroffen, und das Horn auf seiner Stirn soll jedem Wesen seine Unschuld zurückgeben. Man sagt, nur eine Jungfrau dürfe auf dem Rücken eines dieser Pferde reiten, und nur sie würden ihre Sprache verstehen.«
    »Ein Einhorn ist ein Pferd?«, stieß Mogda spöttisch hervor. »Sie lassen Tabals Quell von einem Gaul bewachen?«
    »Sie sind magische Wesen, wie Drachen«, gab Trumbadin zu bedenken.
    Mogda wusste, dass der nächste Bissen in ein saftiges Stück Pferdefleisch ihm sicherlich im Halse stecken bleiben würde, wenn er an das Einhorn dachte.
    »Ein Pferd«, maulte Mogda halblaut. »Hoffentlich gibt es in diesem Land Zwiebeln und Apfel. So mag ich sie am liebsten.«
    Mogda ging voraus, die Treppe hinauf. Die Menge an Blut und die heiseren Schreie von Suul hatten ihn glauben lassen, die Ogerfrau sei tot. Dennoch ging er voraus, da es ihm nicht sonderlich kriegerisch erschien, einen alten Maester der Zwerge die Vorhut bilden zu lassen. Als Mogda das Panthenoptikum betrat, tauchte die untergehende Sonne die Wände des Solars in blutrotes Licht. Suul lehnte an der hinteren Wand vor dem schmalen Spalt eines Schachts. An ihren Armen, Beinen und Schultern klafften tiefe Wunden so groß wie eine Ogerhand, wo die Ringe der Ketten ihr das Fleisch herausgerissen hatten. Eine blutige Spur zog sich von der Steinbank bis hinüber zu ihr. Ihre Augen waren nur noch schmale Schlitze, und ihr Brustkorb hob und senkte sich in schnellen flachen Bewegungen. Krampfartig zuckte sie zusammen und sackte zu Boden, als Mogda den Raum betrat.
    Der Schild lag immer noch vor der Steinbank. Mogda hielt Trumbadin zurück, der nach ihm den Raum betreten wollte.
    »Wartet hier«, sagte er. »Das ist meine Aufgabe.«
    Er ging zu dem Schild und hob es auf. Es fühlte sich leicht an und lag gut in der Hand, trotz seiner ungewöhnlichen Form.
    Innere Unruhe beschlich ihn, als er das letzte Artefakt in die Hand nahm. Am liebsten hätte er sofort kehrtgemacht und wäre seinen Kameraden zur Hilfe geeilt, doch die wehklagenden Blicke der Vettel ließen ihn näher kommen.
    Ihre Verstümmelungen mussten mehr Schmerzen verursachen, als irgendjemand hätte ertragen können. Ströme von Blut liefen aus den Wunden wie vergossener Rotwein. Erst jetzt sah er die Wunde am Hals, wo der letzte der Ringe in ihren Körper getrieben worden war. Ihr halber Nacken war weggerissen, bis hoch zum Haaransatz. Ihre wulstigen, blassen Lippen versuchten Worte zu formen, doch mehr als ein unverständliches Wispern brachte sie nicht hervor. Mogda kniete nieder und lauschte ihrem Flüstern.
    »Meine Kinder werden dich töten«, hauchte sie. »Sobald du Bleichenstadt verlässt, werden sie dich jagen. Sie werden dich töten und an deinen Knochen nagen, bis von dir nicht mehr übrig ist als ein Skelett.«
    Mogda konnte ihren Hass verstehen. Er übernahm jetzt die Aufgabe, für die sie sich auserkoren gefühlt hatte. All die Jahre hatte sie geplant, jeden Winkel der Welt durchsucht und sich ein ganzes Volk Untertan gemacht, um am Ende von einem Oger ihrer eigenen Sippschaft getötet zu werden. Nach all den Jahren, in denen sie dem Tod getrotzt hatte, würde sie jetzt nicht einmal mehr mit ansehen können, wenn sich die Prophezeiung erfüllte. Mogda empfand Mitleid mit ihr, doch es zu zeigen, würde sie abermals kränken.
    »Ich werde deinen Kindern mit dem Respekt entgegentreten, den sie verdient haben. Wenn sie an mir die Rache für deinen Tod finden sollten, werde ich ihnen geben, wonach sie suchen. Dennoch sollten sie nicht darauf hoffen, ihren Hunger an mir zu stillen. Ein Oger steht am Ende der Nahrungskette.«
    Suul versuchte sich ein Lächeln abzuringen, doch nur Blut und Speichel tropften aus ihrem Mund und besudelten ihre weißen Brüste.
    Mogda erhob sich und schob seine Hände in den Spalt zwischen den Türen des Höhenbefördererschachtes.
    »Vielleicht solltest du es dir ansehen, wenn Tabal diese Welt betritt. Warte, ich helfe dir nach unten.«
    Mogda zog die Türen auf, und Suul stürzte in die Tiefe des Schachtes.

41
Lauf, Mogda

    »Lauf weiter, Mogda«, sagte die Stimme.
    »Ich kann nicht mehr«, stöhnte Mogda. »Ich will nicht mehr. Nur einen Augenblick ausruhen.«
    Seitdem er Bleichenstadt verlassen hatte,

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