Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
unter ihnen fand sich auch der eine oder andere Meister der Nesselschrecken wieder. Jedem von ihnen hatte Mogda mit seinem Leben getrotzt. Diesmal jedoch war es anders, diesmal war es ein Gott oder wenigstens eines seiner sprechenden Ausrüstungsgegenstände, der ihm sagte, er würde sterben. Das Sterben selbst empfand Mogda nicht unbedingt als angsteinflößend, vielmehr ärgerte ihn, welche Strapazen ihm abverlangt wurden, um den Weg alles Weltlichen zu gehen. Dem Tod ins Auge zu sehen war für einen Oger nichts Ungewöhnliches. Trotzdem wäre es ihm lieber gewesen, die Zeit zwischen Geburt und Tod allein mit Schlafen und Essen verbringen zu dürfen. Wenn man schon dazu gezwungen wurde, sich ständig abzumühen, war es nur fair, wenn einem am Ende auch etwas dafür geboten wurde.
Und Mogda wurde etwas geboten ...
Erschöpft und hungrig erreichte er eine kahle, eisverkrustete Höhe. Zwei Meilen vor ihm lag das Zentrum des Risses. Die kleine Armee, dessen Aufbruch Trumbadin und er vor Tagen beobachtet hatten, drängte sich dicht vor dem Abgrund an der Stelle, wo die in Stein gehauene Kette bis tief hinunter zu dem Ort führte, von der die Prophezeiung sagte, dort würde Tabal die Welt betreten. Um sie herum hatte sich ein Heer versammelt, dessen Größe nur von dem Mangel an Koordination übertroffen zu werden schien. Sie zu zählen wäre genauso schwierig, wie die Anzahl an Bienen in einem Stock zu bestimmen. Wenigstens zehntausend Barbarenkrieger und etwa zweihundert Riesen mussten hier versammelt stehen. Die großen weißhäutigen Krieger drängten sich zwischen die in Felle gekleideten Barbaren und versuchten einen Platz in erster Reihe zu finden. Noch immer strömten weitere Kämpfer heran, immer enger schnürte sich der Ring um Zwerge und Oger. Speere wurden geschleudert, und mit Steinen antwortete man ihnen. Die Feinde strömten heran wie ein gigantisches Wolfsrudel und belauerten ihre Beute.
Mogda konnte sehen, wie sie ihre Rituale abhielten, indem sie sich mit den Waffen selbst verletzten, um in Blutrausch zu geraten. Die Frostriesen warteten ungeduldig darauf, endlich über die Zwerge und Oger herfallen zu dürfen, und beschränkten sich derweil darauf, den Pulk an Feinden mit Geschossen zu traktieren.
Die Verteidiger zeigten bislang nicht mehr Einsatz. Sie versuchten die Barbaren zurückzuhalten und gleichzeitig über die steinerne Kette in den Riss zu fliehen. Was für einen Einzelnen leicht schien, war für ein kleines Heer so gut wie unmöglich. Zu lange dauerte es, denn nur einer konnte jeweils an der monströsen Kette hinabklettern. Erst wenn er hinter der schroffen Felskante verschwunden war, konnte der nächste die Kletterpartie beginnen. Zudem wollten Riesen und Barbaren ihr Essen nicht vom Tellerrand flüchten lassen. Speere und Steine prasselten auf jeden nieder, der es wagte, auch nur in die Nähe der Kette zu kommen. Die Zwerge hatten ihre Eissegler im Halbkreis in Stellung gebracht und die weißen Bären angespannt gelassen. Bald aber war das Heer an Feinden komplett versammelt und die Barbaren durch ihren Blutrausch genügend angeheizt, um sich nicht mehr von Barrikaden, ob nun Schiffe oder wilde Bestien, zurückhalten zu lassen.
Ein Tonkrug flog über das vergilbte Segel eines Schiffes hinweg und zerschellte vor den Füßen eines Riesen. Gelbes Pulver verteilte sich großflächig daraus und legte sich über den Schnee. Flammen krochen darüber und wuchsen bis fünf Fuß Höhe an. Gelber Rauch stieg aus den Flammen hervor und hüllte die umstehenden Feinde ein. Hustend und keuchend zogen sich die Barbaren zurück, und auch die Riesen neigten ihre Häupter hin und her, um den Dämpfen zu entgehen.
Ein zweites und ein drittes Geschoss zerbarsten kurz dahinter und schlugen eine Bresche in die Reihen des Feindes. Einer der Barbaren wurde von dem Tonkrug am Kopf getroffen, das Pulver hüllte ihn ein wie zuvor den Schnee. Der Mann versuchte, sich von dem gelben Staub zu befreien, doch im Nu stand er in Flammen und schlug in Panik um sich. Einer der Frostriesen stieß ihm seinen Speer durch den Körper, damit der Barbar nicht wie eine Fackel durch die anderen rannte, und drohte noch mehr Krieger in Brand zu setzen.
Mogda wendete seinen Blick wieder auf den Pulk seiner Kameraden. Hagmu stach daraus hervor. Flüchtig betrachtet hätte man meinen können, einer der Frostriesen wütete zwischen den Zwergen. Seine helle Haut und die ergrauten Haare ließen ihn fast wie einen der gigantischen
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