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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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niemand mehr gewesen, und wenn der Zufall es nicht gewollt hätte, wäre die Höhle vielleicht für immer unentdeckt geblieben. Rator ging zu den mehr als rustikalen Holzmöbeln hinüber. Die Sitzfläche des Stuhls reichte ihm bis zur Hüfte, die Tischkante bis zur Brust.
    Rator kannte kein Wesen, das groß genug war, hier Platz zu nehmen, außer vielleicht einen Gott. Er konnte unmöglich am Ziel seiner Reise angelangt sein. Niemals würde Tabal in einer Bärenhöhle leben. Ein Gott brauchte einen Palast und ein Heer, das ihn umgab. Außerdem war sein Pulver noch nicht völlig verbraucht. Vielleicht lebte hier der Bruder eines Gottes. Für Rator stand außer Frage, dass er noch einige Tagesreisen vor sich hatte. Er griff nach dem Lederbeutel, um ihn abermals in der Hand zu wiegen, wie er es mehrere Male am Tag tat.
    Rator stockte der Atem. Das Lederband des Beutels hatte sich gelöst. Rator riss den Beutel vom Gürtel und legte ihn sich in die Handfläche. Einen Moment lang beobachtete er den kleinen Ledersack, als ob dieser zu ihm sprechen würde. Vorsichtig ließ er Daumen und Zeigefinger hineingleiten und zog ihn auf. Der Beutel war leer.
    Irgendwo dort draußen musste das Pulver herausgerieselt sein und hatte sich in alle Winde verstreut. Wie sollte er jetzt zu Tabal finden? Allein in diesem fremden Land und ohne zu wissen, wonach er genau suchte, war er verloren. So kurz vor dem Ziel schien seine Reise zu Ende. Er brauchte einen Führer, aber die Auswahl war nicht gerade groß. Seit Tagen hatte er niemanden gesehen außer die Fremden, die ihn verfolgten. Freiwillig würden sie ihm sicher nicht helfen. Doch was machte das schon für einen Unterschied, freiwillig hatte er noch nie etwas bekommen.
    Rator verlor keine Zeit. Er zog seine Axt und drosch damit auf den Tisch ein. Die breite, schimmernde Klinge fuhr in die Maserung des Holzes und spaltete das übergroße Möbelstück der Länge nach. Mit einigen Tritten löste er anschließend die Beine vom Tisch und warf sich die Platte über den Rücken. Im Schutz des riesigen improvisierten Holzschildes stapfte er hinaus in den Hagelschauer. Donnernd prasselten die Eisbrocken auf den Rückenschild.
    Rator rannte den Weg zurück, den er gekommen war. Er hoffte, dass er die Fremden in ihren Verstecken würde aufspüren können. Er musste sie finden, und das ziemlich schnell. Solange sie in ihren Erdlöchern hockten, waren sie ihm schutzlos ausgeliefert. Sein Plan war einfach. Er würde sich einen von ihnen schnappen und ihn in die Höhle bringen. Dort würde Rator dann herausfinden, was die Hüttenbauer von ihm wollten und ob sie wussten, wo er Tabal finden konnte.
    Rator hatte gehofft, ihren Unterschlupf anhand der abgeschlagenen Büsche wiederzufinden, doch so, wie es aussah, hatte der Hagelschauer ganze Arbeit geleistet. Überall ragten kahle Überreste von Büschen aus dem Schnee. Die faustgroßen Hagelkörner hatten keinen Zweig und keinen Ast verschont. Rator lief weiter. Noch immer prasselten die Eisklumpen auf ihn nieder. Die spitzen Splitter der zerborstenen Brocken bedeckten die Erde, so weit man sehen konnte. Schmerzhaft schnitten sie sich durch das aufgeweichte Leder seiner Schuhe.
    Irgendwo hier mussten sie sein, die Menschen. Wenn ihn sein Gefühl nicht täuschte, waren sie ganz in der Nähe. Rator stellte die schützende Holzplatte ab und richtete sich auf. Er hielt einen Arm schützend über den Kopf und sah sich um. Plötzlich bemerkte Rator das dumpfe Trommeln, das er auch schon kurz vor dem Unwetter vernommen hatte. Es hörte sich an wie das Schlagen auf ein schlecht gespanntes Ziegenfell. Rator blickte zu seinen Füßen hinab. Genau vor ihm erhob sich eine kleine, kaum wahrnehmbare Erhebung; durch die losen Eissplitter, die sich darauf angesammelt hatten, war ein dunkles Stück Leder zu sehen.
    Rator wischte mit dem Fuß vorsichtig einige der Splitter beiseite, bis er eine Ecke des gegerbten Leders freigelegt hatte. Er bückte sich und riss die Abdeckung hoch. Darunter lag einer seiner Verfolger, zusammengekrümmt und mit den Händen vor dem Gesicht. Als der Mensch bemerkte, dass sein Versteck entdeckt worden war, war es bereits zu spät. Ein Hagelkorn traf ihn unglücklich am Kopf und hinterließ eine Platzwunde.
    Trotz des Schockmoments griff der Hüttenbauer sofort zu seinem Schwert, das er bereits vor dem Sturm blankgezogen hatte. Rator war jedoch schneller und setzte den Fuß auf die Klinge. Mit dem anderen trat er gegen den Kopf des

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