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Blutiges Echo (German Edition)

Blutiges Echo (German Edition)

Titel: Blutiges Echo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Ideen kommt wie du. Meinetwegen, lass es offen, wenn du dann nicht mehr rumhüpfst und schreist. Normalerweise hören die Leute Radio, wenn sie so ausflippen. Aber du, du hast wohl totales Kopfkino.«
    Es hatte auch andere Zwischenfälle gegeben, aber nicht in Autos, sondern in Häusern. Wenn er Joey besuchte und Joeys Vater nachdrücklich die Tür schloss, sah er Bilder von Joeys Mutter, die gegen das Holz gestoßen wurde und Schläge kassierte. Solche Stellen gab es im ganzen Haus. Überall da, wo Joey, seine Mutter und seine Geschwister von seinem Vater herumgeschubst worden waren, steckte die Erinnerung daran in der Wand. Das Haus war ein einziges Kaleidoskop der Angst.
    Harry wurde immer irgendwie schlecht, wenn er dort zu Besuch war. All diese Wutausbrüche, die in den Wänden und Möbeln steckten; wie Joey, seine Mutter und sein Bruder dauernd auf Zehenspitzen umherschleichen mussten, um ja nicht Mr Barnhouse’ Aufmerksamkeit zu erregen. Und wie Barnhouse ihn ansah, als wäre er ein Eindringling, der ihm etwas antun oder ihm den Fernseher wegnehmen wolle. Der Fernseher schien Barnhouse’ letzter Strohhalm zu sein. Ohne den hätte er nichts als Stille und das Leben in seinem eigenen Schädel gehabt.
    Vermutlich ging es da drin nicht besonders nett zu, in Mr Barnhouse’ Kopf, und Lärm jeder Art, wenn er hin und wieder die Frau und Kinder schlug, war ihm sicher willkommen. Hauptsache, es herrschte keine Stille. Bloß nicht mit sich selbst in seinem Kopf allein sein müssen.
    Irgendwann betrat Harry das Haus nicht mehr, sondern wartete auf der Veranda, bis Joey herauskam. Er fand immer einen Grund, sich woanders mit ihm zu verabreden, zum Beispiel bei sich zu Hause.
    Sein Zuhause war sein Zufluchtsort. Das große alte Haus barg keine Schrecken, und seine Eltern taten nichts, was hätte aufgezeichnet werden können.
    Doch, bei den Fenstern gab es eine Stelle. Da, wo er mit sechs Jahren vom Stuhl gefallen war. Als er dort einmal kräftig mit dem Fuß aufstampfte, um eine Schabe zu zertreten, entdeckte er eine Version von sich selbst als Kind: Es wurde dunkel im Zimmer, er sah einen Stuhl und die Fenster voller Bilderwelten, das Autokino und die Cartoons auf der anderen Seite der Straße, und er hörte laute Countrymusik. Und irgendetwas war ein klein wenig anders.
    Er hatte Schmerzen gehabt.
    Im Ohr.
    Und dann war seine Mutter, jünger als jetzt, im Morgenmantel und mit offenen, zerzausten Haaren aus dem Schlafzimmer zu ihm gestürzt, gefolgt von seinem Vater. Die Bilder begannen zu verblassen und zu beschleunigen. Er sah, wie sie zur Tür hinauseilten, sein Vater trug ihn auf dem Arm. Tja. Alles war aufgezeichnet – in Häusern, in Autos, in Möbeln – und wer weiß, wo sonst noch überall?
    Harry verstand bloß nicht, wieso.
    Es sei denn, das alles geschah lediglich in seinem Kopf und er war tatsächlich verrückt.
    Über all das dachte er nach, während er so auf einem Stuhl saß und seinen Führerschein in der Hand hielt. Er überlegte, ob er wirklich ausgehen sollte. Heute Abend hatte er zum allerersten Mal das Familienauto für sich allein, und er wollte auch raus, aber er hatte Angst, und zwar nicht vor Bildern, sondern vor etwas viel Banalerem. Vor dem Highway. Vor parallelem Einparken. Den Teil hatte er nur mit Ach und Krach bestanden.
    »Gut siehst du aus«, stellte sein Dad fest.
    »Wie bitte?« Harry schaute auf.
    Sein Dad grinste ihn an. Er wirkte müde, und Harry fiel zum ersten Mal auf, dass er an den Schläfen grau geworden war und etwas weniger Haare auf dem Kopf hatte. Harry sah ihn jeden Tag, und jetzt fiel ihm das auf. Meine Güte, wann war das passiert?
    »Ich hab gesagt, du siehst gut aus. Hast dich rausgeputzt.«
    »Ach, na ja. Nichts Besonderes. Hab bloß mal eine Dusche genommen.«
    Dad lachte. »Und alle Düfte des Orients.«
    »Zu viel?«
    »Wenn du das Fenster runterkurbelst und dich ein bisschen durchpusten lässt, geht es wieder.«
    »Na prima.«
    »Gehst du nun aus, oder willst du bloß auf deinem Stuhl da herumgurken?«
    »Ich glaube, ich gehe aus.«
    »Du hast das Auto, du hast deinen Führerschein, es ist Freitagabend. Du solltest losziehen. Was hockst du hier noch rum?«
    »Ich denke bloß ein bisschen nach.«
    »Über Mädchen?«
    »Nicht wirklich.«
    »Solltest du aber. Über Mädchen lässt sich sehr gut nachdenken. Du hast zwar nicht den schicksten Schlitten der Welt, aber für ein Date taugt er allemal, weißt du. Aber erst musst du dich mal mit einem Mädchen

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