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Blutiges Echo (German Edition)

Blutiges Echo (German Edition)

Titel: Blutiges Echo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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verabreden. Ich hab nämlich irgendwann gemerkt, wenn man sich nicht mit ihnen verabredet, tauchen sie nicht auf.«
    Harry spürte, wie er rot anlief. »Ja, ich weiß.«
    »Hör mal, Harry. Ich weiß, an was du denkst. Es geht um diese Sache.«
    So nannte sein Vater immer seine Visionen, die unangenehme Sache .
    »Ein bisschen vielleicht.«
    »Pass auf, mit dir ist alles in Ordnung.«
    »Glaubst du wirklich, Dad? Ich meine, die Ärzte …«
    »Zum Teufel mit denen.«
    Dad zog sich einen Stuhl heran und setzte sich ihm gegenüber.
    »Ich sag dir was, du bist einfach nur … du weißt schon … phantasievoll.«
    »Du meinst, ich denke mir das alles aus?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Denkst du, dass ich es für real halte, es aber nicht wahr ist?«
    Der große Mann hielt inne und legte die Hände in seinen Schoß. »Ich weiß es nicht, mein Junge. Wirklich nicht. Aber angeblich gab es in unserer Familie Leute, die in die Zukunft sehen konnten. Ich kann dir nicht sagen, ob das stimmt, aber so heißt es.«
    »Das hier ist aber eher wie in die Vergangenheit sehen, Daddy. Die Dinge sind bereits passiert. Als würde ich in Geräuschen Geister hören und sehen. Es hat irgendwas mit Angst oder Gewalt zu tun. Das hab ich dir alles schon mal erklärt.«
    Dad saß da und dachte einen Augenblick nach. »Ob man nun in die Zukunft oder in die Vergangenheit sieht, vielleicht macht das gar keinen so großen Unterschied.«
    »Wer in unserer Familie konnte denn hellsehen?«
    »Meine Mutter. Du hast sie nie kennengelernt. Sie ist gestorben, bevor du auf die Welt kamst, genau wie dein Großvater. Alle deine Großeltern starben vor deiner Zeit. Wirklich schade. Zumindest was deine Großmutter – meine Mutter – betrifft. Die Eltern deiner Mom, das waren auch gute Menschen. Mein Vater allerdings war ein Arschloch. – Erinnerst du dich an die Narben auf meinem Rücken?«
    »Vom Stacheldraht?«
    Sein alter Herr nickte. »Das kam nicht vom Stacheldraht. Ich hab dir zwar mal erzählt, dass ich als kleiner Junge in einem Zaun hängen geblieben bin. Aber das stimmt nicht. Ich wollte dir damals nicht sagen, dass dein Großvater mich mit einem Gürtel geschlagen hat. Mit der Schnalle. Die hat mir die Haut aufgeritzt und diese Narben hinterlassen.«
    »Warum erzählst du es mir dann jetzt, Daddy?«
    »Ich weiß nicht. Wahrscheinlich solltest du das einfach wissen. Warum, weiß ich nicht, aber ich finde, du solltest es wissen.«
    »Was hast du dann gemacht?«
    »Als er mich geschlagen hat?«
    »Ja.«
    »Gab nichts, was ich tun konnte. Ich war noch klein, und er war groß und bösartig und immer betrunken. – Lass bloß die Finger vom Alkohol, hörst du? Du könntest auch zu denen gehören, die nicht damit umgehen können. Ich hab hin und wieder getrunken, als ich jung war, und ich war auch so einer. Es hat die gemeine Ader in mir hervorgeholt. Deine Mama hat mich davon abgebracht. Sie hat gesagt, sie würde gern mit mir ausgehen, aber wenn ich trinke, würde sie nichts mehr von mir wissen wollen. Seitdem hab ich keinen Tropfen mehr angerührt. – Was ich damit sagen will, Harry: In deinem Leben gibt es Dinge, mit denen du nicht gerechnet hast. Das sind nicht alles gute Dinge. Aber du musst damit fertigwerden, musst dir das Gute raussuchen, dich darauf konzentrieren und das Schlechte links liegen lassen. Ansonsten verhedderst du dich in deinem eigenen Hass, oder du wirst verrückt, oder du machst dir die ganze Zeit Sorgen. Du hast, was du hast, mein Sohn. Und du wirst schon damit fertig.«
    »Glaubst du?«
    »Verdammte Axt, Junge, das weiß ich. – Hier sind die Schlüssel. Der Tank ist voll.«
    Sein alter Herr klappte das Portemonnaie auf, und Harry sah, dass ein Zwanzigdollarschein darin steckte und drei oder vier Eindollarscheine. Daddy nahm den Zwanziger heraus und gab ihm den.
    »Nein, Dad, ist schon gut.«
    »Nimm’s und geh dir eine Cola kaufen oder so. Vielleicht willst du ja auch ein Mädchen dazu einladen. Wenn du das Auto schon mal ausführst, solltest du auch ein bisschen Geld in der Tasche haben. Nun steck’s schon ein, mein Junge.«
    Harry nahm den Zwanzigdollarschein. »Danke, Dad.«
    »Hey, dazu sind Väter doch da.«
    »Wenn du meinst.«
    Harry stand auf.
    »Pass auf dich auf, mein Sohn.«
    »Natürlich.«
    »An roten Ampeln und Stoppschildern ruckelt er im Leerlauf ziemlich, aber er läuft. Hab ihn in Ordnung gebracht und komplett durchgecheckt. Der geht ab wie ein rotes Moped.«
    Harry lachte. »Und wie geht das ab?«
    Dad

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