Blutiges Echo (German Edition)
nicht. Wenn wir Selbstbeherrschung hätten, würden wir das alles überhaupt nicht machen.«
»Es braucht keine Selbstbeherrschung, um so was nicht zu tun. Wichtig ist die Selbstbeherrschung, die man braucht, um es durchzuziehen. Zu wissen, dass man ein Risiko eingeht, und trotzdem nicht die Nerven zu verlieren.«
Sein Partner wandte sich wieder den Vorhängen und den Lichtern zu.
»Kann schon sein.«
Manchmal machte er sich Sorgen, ob sein Partner nicht vielleicht ein bisschen unzuverlässig wurde; ob er nicht zu nah am Abgrund balancierte und ins Schwanken geraten konnte.
»Ich wische alles ab«, beruhigte er ihn, »mache das ganze Zimmer sauber. Dann verschwinden wir. Und wenn hier irgendwelche DNA-Spuren zu finden sein sollten … tja, die müssen sie erst mal bis zu uns zurückverfolgen. Gibt doch keinen Grund, damit zu uns zu kommen, oder?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»In den meisten Nestern wie diesen haben sie nicht mal so blöde DNA-Tests, weißt du. Kostet ja auch ein Schweinegeld. Viel zu teuer für so ’n Kaff. Das weißt du doch. Läuft nicht so wie in irgendeiner bescheuerten Fernsehserie, wo sie ein Sackhaar finden und plötzlich wissen, es war irgendein Penner in Cleveland. Nicht, wenn wir vorsichtig sind. Scheiße, Mann. Das Risiko gehört doch dazu, oder etwa nicht?«
»Doch. Klar.«
»Wenn wir also alles nach Plan durchziehen und sie tatsächlich irgendwelche DNA-Spuren finden, brauchen wir uns darum keine großen Sorgen zu machen, weil sie sie erst mal mit unserem Erbgut vergleichen müssten. Und warum sollten sie das tun? Mach dir lieber Sorgen um die praktischen Dinge. Dass du zum Beispiel nicht deinen blöden Geldbeutel liegen lässt oder so.«
»Ja, hast recht.«
Inzwischen stand sein Partner wieder neben dem Bett und betrachtete die nackte Frauenleiche.
»Mit ihr war es ganz schön einfach. Ich hab nicht so richtig, du weißt schon … gekriegt, was ich wollte. Irgendwie tat sie mir leid. Für mich war sie irgendwie Verschwendung, und ich mag keine Verschwendung. Wenn man kriegt, was man will, hat man es nicht vergeudet, aber sie ist gestorben, ohne dass ich bekommen hab, was ich wollte.«
»Manchmal ist es der totale Kick, manchmal geht nicht viel. Das ist wie ein Essen in einem fremden Restaurant, da ist für nichts garantiert. Aber mitunter ist es dann eben was ganz Besonderes. Du musst es einfach ausprobieren und drauf ankommen lassen.«
Der Große ging ins Bad, um das Wasser in die Wanne einzulassen.
Später fuhren sie in dem grünen Dodge der Frau davon. Sie ließen sie im Motel mit Seifenwasser bedeckt am Boden der Badewanne zurück, nachdem sie sie mehrmals gewaschen und abgespült hatten. Den Dodge fuhren sie in den Wald hinein; dafür hatten sie sich jetzt doch Handschuhe angezogen.
Sie stiegen aus und hielten inne, um sich Zigaretten anzuzünden, lehnten sich an einen Baum und betrachteten durch die Zweige hindurch den Mond, wobei sie darauf achteten, die Kippen nicht wegzuwerfen, damit sie keine Spuren hinterließen.
Schließlich stiegen sie in ihren eigenen Wagen und fuhren zu ihrem Wohnort zurück, ungefähr eine Stunde entfernt. Als sie beim Haus des Großen ankamen, zogen sie sich als Allererstes die Schuhe aus, die sie in einem Secondhandladen gekauft hatten, wischten sie ab, steckten sie in eine Tüte und brachten sie zum Müllcontainer.
Der Große hatte alles gründlich durchdacht. Bis irgendjemand auf das Auto stieß, vielleicht ihre Fußabdrücke fand, möglicherweise sogar zu ihnen kam, ihre Schuhe überprüfte, im Müllcontainer danach suchte – wenn sie sie denn fanden, lägen diese Schuhe bereits unter einem Haufen anderen Zeugs, vermischt mit Kaffeesatz und verschimmelten Tomaten, und könnten jedem gehört haben.
Führte man ein solches Leben, musste man höchst wachsam bleiben, selbst wenn man Vorsichtsmaßnahmen traf und die Morde auf verschiedene, weit voneinander entfernte Städte verteilte. Die DNA konnte tatsächlich zum Problem werden. Da hatte sein Partner recht. Doch man konnte ihr ein Schnippchen schlagen. War schließlich keine Zauberei. Das passierte ständig. Sonst würde ja jeder erwischt werden.
Außerdem, wo blieb der Spaß ohne den Nervenkitzel, dass man jederzeit entdeckt werden konnte? Ohne die Angst vor dem Gefängnis und der Giftspritze? Die Angst, erwischt zu werden, das war das Elixier, das die Spannung aufrechterhielt. Das dem Leben die Würze gab. Denn ohne die Angst zu sterben, ohne den Tod, der einem wie ein langsam
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