Blutiges Echo (German Edition)
Fuß nach Hause.«
»Einer, der drei Kerle ausgeraubt hat, sollte vielleicht keine guten Ratschläge erteilen.«
»Im Ratschläge Erteilen bin ich echt super, nur nicht darin, sie zu befolgen. Diesem Joey, deinem Freund, dem bin ich wohl auch was schuldig.«
»Nee, nicht unbedingt. Klar, er hat mir geholfen, dich ins Auto zu verfrachten. Aber eigentlich wollte er dich liegen lassen. Er meinte, es wäre dein Problem.«
»Da hat er nicht ganz unrecht, Kleiner. Ich bin Alkoholiker, so einfach ist das.«
Tad legte sich wieder auf die Decke, faltete das Kopfkissen zusammen, stopfte es sich unter den Kopf und verschränkte die Hände auf der Brust. »Es vergeht kein Abend, an dem ich nicht sternhagelvoll bin.«
»Das muss bei der Arbeit ja ganz gewaltig stören.«
»Ich habe keine Arbeit. Ich habe etwas, das man als Investmentfonds bezeichnen könnte, oder irgend so was. Frag mich nicht genau, ich habe den Aktienmarkt nie durchschaut. Jedenfalls schicken sie mir jeden Monat einen kleinen Scheck. Ich habe ein paar kleine Investitionen getätigt, bevor das mit der Sauferei losging. Die haben sich bezahlt gemacht, auch wenn es nicht viel ist. Deckt die laufenden Kosten und versorgt mich mit Bier und Whiskey.«
»Was hast du früher gemacht?«
»Ich war Kampfsporttrainer.«
»Im Ernst?«
»Im Ernst, Kleiner, und ich hab gekämpft wie ein junger Gott. Nicht so wie heute.«
»Das vorhin war allerdings echt unglaublich. So was hab ich noch nie gesehen. Das war nicht nur einfach ein bisschen Rumgehüpfe und Geschrei. Es war schnell, hat gesessen, und es sah aus, als würde es höllisch wehtun.«
»Hat es bestimmt auch. Der Punkt ist bloß: Wenn ich kein Alkoholiker wäre, wäre ich gar nicht erst in diese Situation geraten. Wie du siehst, ist es also meine eigene Schuld. Lass mich dir noch einen dieser Ratschläge geben, die ich so freimütig verteile. Hör auf zu trinken. Der Alkohol könnte irgendeine chemische Reaktion in dir auslösen, die süchtig macht, oder es weckt irgendwas in deiner DNA oder den Genen, was auch immer das alles eigentlich ist. Manche Leute sind eben anfällig dafür, weißt du.«
»Du auch?«
»Nee, ich nicht. Ich kann jederzeit aufhören. Ich will bloß nicht. Bei mir sind nicht die Gene schuld, Kleiner. Ganz und gar nicht. Das hab ich mir alles selber zuzuschreiben. Mein Suff ist Marke Eigenbau.«
Harry hatte an diesem Tag keine Vorlesung und musste nicht in der Buchhandlung arbeiten, also schlief er aus. Als er erwachte, sich auf dem Sofa aufsetzte und sich übers Gesicht fuhr, stand Tad bereits an der Kochplatte und machte Kaffee.
»Hab keine Kaffeefilter gefunden«, sagte er, »also hab ich eine deiner Socken genommen.«
»Was?«
»Nur ein Scherz. Hab ein paar Taschentücher benutzt. Der Kaffee könnte dir ein bisschen zu stark sein. Ich wusste nicht genau, wie du ihn trinkst. Außerdem hab ich einen deiner Müsliriegel gegessen, der übrigens wie versteinerte Hühnerkacke schmeckt, und den anderen für dich auf dem Tisch liegen lassen. Kein Wunder, dass du so dünn bist, wenn du nur so einen Müll frisst. Wahrscheinlich hast du auch keine feste Freundin.«
Harry schüttelte den Kopf. »Nein. Dafür hab ich keine Zeit. Ich hab einen Teilzeitjob im Buchladen, und lernen muss ich schließlich auch irgendwann.«
»Sag nicht, du bist noch auf der Highschool.«
»Natürlich nicht, ich bin zwanzig. Ich studiere an der Uni.«
»Verdammt, ich kann überhaupt nicht mehr einschätzen, wie alt jemand ist. Wenn jemand nicht in meinem Alter ist, gehört er zum jungen Gemüse. Viel lieber sehe ich Leute, die älter sind als ich. Dafür lebe ich sozusagen. Wirst du ab und zu flachgelegt?«
Diese Frage überrumpelte Harry. Sie kam völlig aus dem Hinterhalt. »Gelegentlich.«
»Also gar nicht.«
»Doch, hab ich doch gerade gesagt.«
»Quatsch, wirst du nicht. Schon daran, wie du es gesagt hast, war mir das klar, und wir wissen ja bereits, dass du keine Freundin hast.«
»Gar nichts ist dir klar.«
»Zweiter Versuch, Kleiner. Hast du Sex?«
»Nein.«
»Na bitte. Ein Kerl in deinem Alter sollte auf der Pirsch sein und Löcher stopfen, als gäb’s kein Morgen. Später wirst du dir wünschen, du hättest es getan.«
»Löcher gestopft?«
»Ziemlich eklig ausgedrückt, was?«
»Allerdings.«
»Tja, Kleiner, wenn du erst mal so alt bist wie ich, findest du so was nicht mehr eklig, sondern anschaulich.«
»Und, was ist mit dir? Du hast mich gefragt, also kann ich dich auch fragen. Hast
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