Blutiges Echo (German Edition)
du Sex?«
»Nein. Ich denke auch nicht mehr oft daran. Nur wenn im Fernsehen Werbung für Badeanzüge kommt. Meistens denke ich über andere Sachen nach.«
»Und worüber?«
»In erste Linie wünsche ich mir Dinge.«
»Und zwar?«
»Ich wünschte, meine Frau wäre nicht tot, und mein Sohn genauso wenig. Das wünsche ich mir.«
Ohne näher darauf einzugehen, sagte Harry: »Ich hatte mal eine Freundin, aber die ist fromm geworden. Es hat richtig Spaß mit ihr gemacht, bevor sie fromm war. Aber im Grunde hat sie mir wohl nicht besonders viel bedeutet, und sie war wohl auch nicht so besonders begeistert von mir.«
»Religion kann einem echt das Leben schwermachen.«
»Sie hat mich schon ziemlich viel rumfummeln lassen, aber mehr wollte sie nicht. Wahrscheinlich hatte Gott nichts gegen Tittengrapschen. Aber mit allem anderen war er nicht einverstanden.«
»Er ist ein ziemlicher Pedant. Wobei es schon eine Rolle spielt, mit wem es passiert und was es einem bedeutet. Bevor ich Dorothy geheiratet habe, hatte ich verschiedene Freundinnen, und eine davon hatte auch immer mal wieder fromme Phasen. Meistens zwischen dem Vögeln, dann meldete sich nämlich ihr Gewissen, weißt du. Jesus dies und Jesus das. Aber nach einer Weile hat Jesus immer ein Nickerchen gemacht oder so, und dann durfte ich wieder das Stöckchen versenken.«
»Das klingt ja sehr romantisch.«
»Vielleicht nehme ich dich ja bloß auf den Arm, Kleiner.«
»Du glaubst doch nicht etwa, dass du hier einziehen kannst, oder?«
»In dieses Loch? Du willst mich wohl verscheißern. Da könnte ich mich ja gleich im Arsch einer Kuh verkriechen. – Wie lange liegt diese Schabe da schon tot in der Ecke?«
»Ich glaube, die ist einfach nur geduldig.«
»Die ist tot. Und zwar seit einer ganzen Weile. An der knabbern ja schon die Ameisen. Die übervölkern dir noch die ganze Bude, wenn du dir kein Spray besorgst.«
Harry stand auf. Er trug dieselben Kleider wie am Abend zuvor. »Leg dir mal einen Pyjama zu«, sagte Tad. »Oder schlaf in Unterwäsche. Mit verschwitzten Klamotten tust du dir keinen Gefallen. Das stinkt.«
»Ist keine Gewohnheit. Ich dusche sogar regelmäßig.«
Harry nahm den Müsliriegel vom Tisch und zog sich den Stuhl heran, den er neben die Decke gestellt hatte. Tad setzte sich aufs Sofa.
»Noch mal zum Thema Frauen«, sagte Tad. »Heutzutage muss man vorsichtig sein, man kann sich Krankheiten holen. Dafür gibt’s Gummis. Die sollte man eigentlich gratis verteilen.«
»Manchmal tun sie das tatsächlich.«
»Außer wenn sie Jesus im Herzen haben. Dann ist es ein Verbrechen, seinen Schwanz vorm Abfallen zu bewahren. Das ist verboten, wenn man so ein toller Christentyp ist, aber hey, die Leute vögeln nun mal. So sind wir eben gestrickt. Ist dir mal aufgefallen, dass Christen öfter aus dem Alten Testament zitieren als aus dem Neuen? Das machen sie, damit sie gemeine Dinge über Schwule und so sagen können. Das Neue Testament ist aber die christliche Botschaft. Das Rotgedruckte, das ist das, was Jesus gesagt hat. Danach sollen sie eigentlich leben, aber nein, sie mögen den Gott des Alten Testaments, den Fiesling, den Richter ohne Gnade, der dringend Antidepressiva gebraucht hätte. Ist dir das schon mal aufgefallen?«
»Du bist ja ein richtiger Intellektueller.«
»Im Moment erlebst du meine nüchterne Seite. Pass gut auf. Die zeige ich nur selten.«
Kapitel 14
Harry war überrascht, denn das Viertel, in das er Tad fuhr, war ziemlich schick.
Falsch.
Es war verdammt schick.
Genau genommen war die Gegend stinkvornehm.
Harry überlegte, dass Tad sich sein Haus gekauft haben musste, bevor der Rest gebaut worden war. Wahrscheinlich wohnte er in einer kleinen Bruchbude, die zwischen all den teuren Villen kauerte. Ein Gärtchen mit einer heruntergekommenen Hütte neben einem Baum und einem Auto auf Holzklötzen. Vielleicht ein paar verstreute Bierdosen. Eine tote Katze unter einem Strauch.
»Fahr rechts ran«, sagte Tad.
»Musst du kotzen?«
»Nein. Hier wohne ich.«
»Hier?«
»Jupp.«
Tads Hütte war ein riesiges Anwesen, aus ungebrannten Lehmziegeln gemauert, und einmal um das Haus herum zog sich eine hohe Backsteinmauer. Vor der Einfahrt befand sich ein Gartentor. Das Tor stand offen, und Eichen und Amberbäume wuchsen hoch und schattig um das Gebäude herum, das ziemlich viel Platz einnahm.
»Hast du ein Apartment im Hinterhaus?«
»Ich darf im Vorgarten unter einem Baum schlafen.«
»Wie bitte?«
»Es gehört mir.
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