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Blutiges Echo (German Edition)

Blutiges Echo (German Edition)

Titel: Blutiges Echo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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nervte ihn echt, dieses Veilchen. Er hatte doch gar nichts gemacht. Nicht so wirklich. Nichts, weswegen der Alte so sauer werden musste. Er hatte die Hand auf seine Zigarettenschachtel gelegt und dabei ein paar Kippen zerdrückt. Das war alles, und sein Alter hatte auf ihn eingedroschen wie auf ein Tamburin.
    Und da war er nun, windelweich geprügelt, und vor ihm das kleine Mädchen in seinem sauberen Kleid, mit einem Lächeln auf den Lippen und einer Schleife im Haar, und es sah so verdammt glücklich aus auf dem Karussell, das es mit dem Fuß anstieß, immer und immer im Kreis, und lachte und dachte nicht an irgendwelche Schläge ins Gesicht, sondern wahrscheinlich nur an Geburtstagspartys und Umarmungen und Geschenke und eine glückliche Zukunft.
    Er beobachtete sie eine Zeit lang.
    Sie waren ganz allein im Park. Er ging zu ihr hin, packte das Karussell, schwang sich hoch und bremste mit einem Fuß im Sand.
    »Hör auf«, sagte sie. »Ich spiele gerade.«
    Mit dem Spielen war es dann schnell vorbei. Er brachte das Karussell zum Stehen, zerrte sie herunter und rüber zum Fluss, sie schrie wie eine Wildkatze, und dort schlug er sie mit einem Stein, versuchte ein paar Sachen mit ihr zu machen, wusste aber nicht genau, wie. Er zog ihr das Höschen herunter und ließ sie liegen, und als sie sie am selben Tag kurz vor Einbruch der Nacht fanden, sah er ihren Vater im Fernsehen, mit ausdruckslosen Augen und verlorenem Blick, und er fühlte sich … seltsam. Aber nicht traurig. Eher gut von innen her. Er hatte es geschafft, jemanden zu töten und dazu noch jemanden zu verwunden, wie durch einen Querschläger.
    Eine Woche später las er, dass die Mutter sich erhängt hatte.
    Zwei für ihn. Und null für die anderen, und außerdem gab es noch einen Verwundeten. Außer Gefecht gesetzt für die Menschheit.
    Also stand es eigentlich zweieinhalb für ihn.
    Niemand verdächtigte ihn jemals.
    Jahrelang beging er keinen weiteren Mord.
    Er spielte zwar mit dem Gedanken, setzte ihn aber nicht in die Tat um.
    Schon damals, als Kind, war er vorsichtig. Mit sechzehn erwischte er seinen alten Herrn in einem unaufmerksamen Moment, als er sich gerade draußen im Carport über einen ausgebauten Motor beugte, der auf einer schmierigen Pappe lag. Er hob einen Schraubenschlüssel hoch und sagte: »Hey, Pops.«
    Als sein Vater sich umdrehte, schlug er ihm den Schraubenschlüssel über den Mund, sodass Blut und Zähne wegspritzten. Der Alte ging zu Boden und versuchte aufzustehen, und er schlug erneut zu. Als er davonrannte, hielt sich der Alte mit einer Hand den Hinterkopf, verfluchte ihn, spuckte Blut und Zähne aus. Und sein Fluchen klang für ihn wie der frohlockende Gesang der Engel.
    Das machte ihn glücklich. Er rannte und lachte. Und schaute kein einziges Mal zurück.
    Er stand vom Sessel auf, ging ins Schlafzimmer, zog die unterste Schublade seiner Kommode auf und schob seine Socken und Unterhosen beiseite. Eine kleine schwarze Schachtel kam zum Vorschein. Er öffnete sie. Darin befand sich eine Uhr, die ihm vor langer Zeit eine Freundin geschenkt hatte, der er bald darauf den Laufpass gegeben hatte. Die Uhr war an einem Pappschieber befestigt, und er holte ihn heraus. Dahinter lag ein einzelner Perlenohrring.
    Den hatte er eingesteckt, als James nicht hingeschaut hatte. Er hatte James gesagt, dass er keine Souvenirs mitnehmen solle, und das war auch richtig so. Das sollte man nicht. James sollte das nicht, weil er nachlässig werden konnte. Aber dieser eine Perlenohrring von vor Ewigkeiten, was spielte der jetzt noch für eine Rolle? Wer würde hier danach suchen und ihn finden? Er hatte ihn einer jungen Frau abgenommen, deren Leiche erst noch entdeckt werden musste, zusammen mit der ihres Freundes. Sie lagen draußen in der Wildnis, von Ameisen und anderem Getier zerfressen. Manchmal überlegte er, dort hinzugehen und nachzusehen, was noch übrig war. Aber es war so lange her, und er war bisher so stark gewesen, da war es das Beste, am Plan festzuhalten.
    Nicht nachlässig werden.
    Er nahm den Ohrring aus der Schachtel und ließ Daumen und Zeigefinger darübergleiten. Er dachte an das Ohr, an dem er gesteckt hatte. Ein kleines Ohr, mit dem Duft eines billigen Parfüms.
    Er schnupperte an der Perle. Natürlich war das Parfüm längst verflogen. Er steckte das Schmuckstück in den Mund und ließ die Zunge darübergleiten, dann nahm er es wieder heraus und legte es auf seinen Handteller, sodass er es anschauen und an ihr Ohr denken

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