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Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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ihm in die Augen.
    ›Es ist weiß Gott nicht, was ich möchte‹, sagte er. ›Es ist das Letzte, was ich möchte, Simone. Das weißt du. Aber in unserem Geschäft fragt keiner danach, was wir möchten.‹
    ›Ich werde es tun.‹ Ich sagte es noch einmal – sehr deutlich, wie zu einem Schwerhörigen. ›Ich werde es tun. Wenn du es willst. Willst du, dass ich es tue?‹
    Er nickte. Jetzt war er es, der mir nicht in die Augen schauen konnte. Sehen Sie, wenn er mich darum bitten konnte, so etwas zu tun, dann gab es keinen Grund mehr, es nicht zu tun. Ganz offensichtlich bedeutete ich ihm nichts. Von dem Augenblick an war mir egal, was ich tat, mit wem ich schlief. Ich hatte nichts zu verlieren.«
    »Aber Sie hätten gehen können«, sagte Delorme. »Sie hätten Sie nicht dazu zwingen können.«
    »Nach dem, was Jean-Paul zu mir gesagt hatte, wollte icham liebsten sterben. Der Tod hatte tatsächlich allen Schrecken verloren. Und undercover in der FLQ zu bleiben schien mir eine effiziente Methode, Selbstmord zu begehen. Und so kam es, dass Hibert und ich, als wir das nächste Mal allein waren, miteinander schliefen – und von da an wollte ich nicht mehr sterben, ich war bereits tot. Ich war vollkommen betäubt.
    Ich versuchte, Jean-Paul wehzutun, als ich ihm Bericht erstattete. Erzählte ihm, was für ein außergewöhnlicher Liebhaber Hibert war, gut ausgestattet und so rücksichtsvoll. Nichts davon entsprach übrigens der Wahrheit.
    Ohne mit der Wimper zu zucken, sagte Jean-Paul: ›Beschränk dich aufs Wesentliche, Simone.‹
    In taktischer Hinsicht erwies es sich als ein guter Schachzug, mit Hibert zu schlafen. Hibert hatte jetzt die Wahl, entweder mit einer Informantin zu schlafen oder mir vollkommen zu vertrauen. Er entschied sich dafür, mir zu vertrauen, und eine Woche später hatte ich einen Stapel von ihrem Briefpapier und drei Kisten Dynamit.
    Mit den Briefköpfen schickte ich Kommuniqués raus und erfand im Lauf der Zeit neue Zellennamen. Ich kündigte zum Beispiel einen ›größeren Schlag‹ an, und dann platzierten wir das Dynamit. Der Höhepunkt meiner Karriere kam, als ich auf einen Schlag acht Neuzugänge in meiner Wohnung hatte. In einem Zimmer tippen wir Kommuniqués, und zwei von ihnen basteln in meiner Badewanne eine Bombe.«
    Cardinal setzte sich auf. »Wollen Sie damit etwa sagen, dass die Mounties und die Polizei von Montreal Sie in Ihrer Wohnung Bomben herstellen ließen? Das kann ich nicht glauben.«
    »Sie manipulierten die Sprengkörper so, dass sie nicht hochgingen. Manchmal tauschten sie das Dynamit heimlich aus, nachdem wir die Bomben gelegt hatten – in den Fällen, wo sie wollten, dass es tatsächlich zu einer Explosion kam.
     
    Dann wiederum ließen sie uns Blindgänger legen. Zum Beispiel ließen sie uns einen Schienenstrang auf der Canadian Pacific Railway sprengen, aber sie tauschten unseren Blindgänger gegen eine kleine Menge Dynamit aus, die sehr wenig Schaden anrichtete. Auf diese Weise konnte ich meine Glaubwürdigkeit wahren. Danach verhafteten sie vier Jungs.«
    »Alles Leute, die Sie angeworben hatten?«
    »Alle von mir, ja. Sie bekamen vier Jahre.«
    Cardinal sah Delorme an, aber Delorme starrte nur auf Simone, die Augenbrauen in der Luft.
    »Sehen Sie mich nicht so an. Meinen Sie, das waren Unschuldslämmer? Das waren Leute, die, wenn sie zu einer echten Zelle gekommen wären, Leute getötet hätten. Wir haben sie rausgeholt, bevor sie richtigen Schaden anrichten konnten. Hören Sie, ich habe siebenundzwanzig Leute ins Gefängnis gebracht, und davon waren wahrscheinlich höchstens drei schon FLQ-Mitglieder, bevor ich sie traf. Und vermutlich habe ich ihnen allen einen Gefallen getan.«
    Klar doch, dachte Cardinal, wir alle müssen uns zuweilen in die Tasche lügen. Bei ihm kam auch einiges zusammen. Er zog noch einmal das Foto von Shackley heraus. »Erkennen Sie diesen Mann?«
    »Shackley«, sagte sie, ohne zu zögern. »Er hieß Miles Shackley. Er arbeitete mit Jean-Paul zusammen. Ich bin ihm ein paarmal begegnet. Er war Amerikaner, CIA, nahm ich an, aber ich war zu höflich, um zu fragen. Sie waren eigentlich Partner, aber Shackley benahm sich immer, als wäre er Jean-Pauls Lehrer. Sicher, er hatte mehr Erfahrung, und ich hatte den Eindruck, dass er in einer der FLQ-Zellen seinen eigenen Informanten in einer guten Position sitzen hatte. Ein äußerst kalter Mann, wie eine Maschine, es machte Klick, wenn er lief. Ich konnte ihn nicht ausstehen, und als er von Bord

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