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Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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ging, habe ich ihm keine Träne nachgeweint.«
    »Von Bord ging?«, fragte Cardinal nach.
    »Eines Abends war er mit Jean-Paul und mir zum Essen verabredet. Als Jean-Paul alleine kam, fragte ich ihn, wo Shackley bliebe, und er sagte, ›Ich glaube nicht, dass wir Miles Shackley je wiedersehen.‹ Zwischen ihm und ein paar hohen Tieren war es zu einer politischen Auseinandersetzung gekommen.«
    »Wann genau war das?«
    »Am siebzehnten August 1970. Ich erinnere mich so genau, weil die FLQ genau an dem Tag quer über die Stadt verteilt vier Bomben hochgehen ließ. Ein Mann – ein Wachmann – wurde getötet, und es wimmelte von Polizei. Zum ersten Mal lag so etwas wie eine ernste Krise in der Luft.«
    »Und haben Sie Shackley je wiedergesehen?«
    »Nein, nie. Ich weiß, dass CAT nach ihm suchte, als Hawthorne entführt worden war. Nun ja, nach ihm suchte, ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck – sie haben die ganze Stadt nach ihm durchkämmt. Ich hatte die strikte Order, mich nicht mit ihm abzugeben. Falls er mit mir Kontakt aufnehmen würde, sollte ich umgehend die Zentrale anrufen. Ich weiß nicht, was er gemacht hatte, aber sie waren genauso hinter ihm her wie hinter der FLQ.«
    »Und diese Leute hier? Können Sie die identifizieren?«
    Rouault setzte das Glas ab und nahm das Foto in ihre zitternden Finger. »Du liebe Güte«, sagte sie. »Das ist ja Madeleine. Madeleine Ferrier. Ach, ich mochte sie so gern. Sie war die einzige felquiste , die ich wirklich ins Herz geschlossen hatte. Sie war so jung. Achtzehn, glaube ich, jedenfalls nicht älter als neunzehn. Ich hab ihren Namen nie in meinen Berichten erwähnt. Natürlich fiel sie den Beobachtern auf, und Jean-Paul fragte nach ihr, und ich hab ihm immer gesagt, sie sei niemand, die Kusine von jemandem, die ihnen nur das Essen macht. Und tatsächlich ging ihr Engagement auch kaum darüber hinaus. Sie war verrückt nach Yves Grenelle und mischte ganz offensichtlich nur in der Szene mit, um in seiner Nähe zu sein. Sie hing ihm an den Lippen. Aber sie war noch einKind. Sie hatte nie Zugang zu Sprengstoff, Schusswaffen oder dergleichen. Arme Madeleine. Sie wäre jetzt fünfzig.«
    »Wäre? Ist sie gestorben?«
    »Sie ist nicht gestorben, sie wurde ermordet. Nachdem die Hawthorne-Entführer geschnappt waren, bekam sie eine milde Strafe für Beihilfe und Begünstigung – nicht aufgrund irgendeiner meiner Aussagen – und ging für sechs Monate ins Gefängnis. Danach war sie vollkommen kuriert. Ging zur Uni, wurde Lehrerin und brachte es zu etwas. Vor zwölf Jahren zog sie nach Ontario. Wir standen uns nicht sehr nahe, aber wir blieben über die Jahre in Kontakt. Ich mochte sie so gern, dass sie die Einzige war, der ich am liebsten die Wahrheit über mich gesagt hätte, aber ich hatte nicht den Mut. Jedenfalls rief sie mal an, um mir zu erzählen, dass sie nach Ontario raufziehen wolle, ich weiß nicht mehr, wohin da, und das Nächste, was ich von ihr hörte, war, dass sie tot ist. Der Mörder wurde, soviel ich weiß, nie gefasst.«
    »Wissen Sie noch, wo sie umgekommen ist?«
    »Ich weiß nicht, irgendwo im Norden. Ontario, wer will da schon hin?«
    »Und Sie sagen, sie stand auf Yves Grenelle?«
    »Ja. Das da ist Grenelle.« Ein gekrümmter Finger tastete zu dem jungen Mann, der lachend am Rand des Fotos stand. Das kräftige, gelockte Haar und der Bart verliehen ihm das Aussehen eines Bandido aus einem zweitklassigen Film.
    »Wie oft haben Sie Grenelle nach Ihrer ersten Eskapade noch gesehen?«
    »Kaum einmal. Er war immer mit Lemoyne und Theroux zusammen, Leuten, die vom ersten Tag an dabei waren. Ich sag Ihnen, er wollte die Macht über Quebec, sobald es aus den Klauen Trudeaus befreit war. Er ist schnell die Stufenleiter aufgestiegen.«
    »Haben Sie mal irgendwo gehört, dass er den Minister getötet hat? Raoul Duquette?«
    »Er war zweifellos dazu fähig: gewalttätig, zornig, aktionswütig und machtlüstern. Ja, ganz sicher, er wäre dazu imstande gewesen. Aber Daniel Lemoyne und Bernard Theroux haben sich ja schuldig bekannt. Das da ist Lemoyne.« Der knochige Finger glitt zu dem kräftigeren jungen Mann auf der anderen Seite des Bildes hinüber. »Er und Grenelle waren, glaube ich, dicke Freunde. Hab mich immer gewundert, wieso Grenelle nicht zusammen mit ihm und Theroux geschnappt wurde. Soviel ich gehört habe, ist er nach Paris geflohen.«
    Ihr Kopf fiel nach vorn, und es herrschte Schweigen. Cardinal und Delorme sahen sich an und warteten. Cardinal

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