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Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Schlafsack gepolstert war. »Jetzt hast du deinen Willen. Ich hoffe, du bist stolz auf dich.«
    Cardinal lächelte. »Ich bin einfach nur froh, dich zu sehen, Dad. Ich wollte nicht, dass du da oben ganz allein einfrierst. Dieser Vorhang nimmt dir aber eine Menge Wärme. Vielleicht machen wir ihn für eine Weile auf.«
    »Der bleibt, wo er ist. Mal im Ernst, ich weiß wirklich nicht, wieso du mich nicht in meinen eigenen vier Wänden sterben lässt.«
    »Dad, es ist ja nicht für immer. Bleib nur so lange, bis der Eisregen vorbei ist.«
    »Wenn du erst mal selber alt bist, wirst du schon sehen, wie das ist. Ich vergesse sogar dauernd, dass ich alt bin. Ich geh im Sommer am Seniorenheim vorbei und sehe all diese kleinen alten Damen. Kommt mir gar nicht in den Sinn, dass ich genauso alt bin wie die. In meinen Augen bin ich so alt wie immer, nur dass ich dieses böse Herzproblem hab und nicht machen kann, was ich will.«
    »Hast du alles, was du brauchst? Kann ich dir irgendwas bringen?«
    »Was soll ich denn noch brauchen? Ich hab mein Buch, meinen Schlafsack, meinen Katheter …«
    »Was?«
    »Das sollte ein Witz sein, John.«
    »Wie wär’s, wenn wir dich in Kellys Zimmer unterbringen würden?«
    »Das kannst du jemand anderem geben. Ich bin hier besser aufgehoben. Ich krieg besser Luft, wenn ich aufrecht sitze. Schon komisch, wie sich die Geschichte wiederholt.«
    Cardinal warf ihm einen fragenden Blick zu.
    »Mein Dad. Hatte haargenau dasselbe Problem. Hatte damals bloß nicht die Medikamente dafür. Aber ich kann mich noch erinnern, wie er sitzend im Wohnzimmer schlief. Jetzt weiß ich, warum.«
    »Gut. Aber sag mir Bescheid, wenn du Kellys Zimmer haben willst.«
    Cardinal wollte schon gehen, doch sein Vater hob die Hand, damit er blieb. »Diese Dr. Cates, John. Das ist furchtbar. Sie fing doch gerade erst an. Ich hoffe, du schnappst den Kerl, der sie umgebracht hat.«
    »Also, wir arbeiten dran.«
    »Ich glaube, sie war ein schlaues Bürschchen. Und ne gute Ärztin.«
    »Was redest du da, Dad? Du warst stinkesauer auf Dr. Cates.«
    »Ich weiß, ich weiß. Manchmal bin ich nicht besonders gescheit.«
     
    Später bekam der Abend etwas von Lagerfeueratmosphäre, als sie alle – außer Stan Cardinal – um den Holzofen saßen und sich über frühere Erfahrungen mit seltsamen Wetterlagen austauschten. Die Walcotts stritten sich über einen Schneesturm, der sie mal mitten im Winter drei ganze Tage im O’Hare-Flughafen festgehalten hatte – oder war es für zweiTage im LaGuardia? Mrs. Potipher erinnerte sich an einen schrecklichen Sturm über dem Nordatlantik auf einer Schiffsreise irgendwann in den Fünfzigern.
    Das unruhige Licht tauchte ihre Gesichter in Braun- und Bernsteintöne. Catherine sah in den verschiedenen Pullovern, die sie übereinander gezogen hatte, und mit dem langen karierten Schal schön aus. Sie kümmerte sich um ihre unerwarteten Gäste mit einem völlig selbstvergessenen Gesichtsausdruck, und Cardinal wusste, dass sie glücklich war. Den ganzen Abend lang wurden ihre Gespräche von einem kehligen Zischen des Ofens unterbrochen, sobald Cardinal ihn aufmachte, um Holz nachzulegen. Der gefrierende Regen trommelte gegen die Fensterscheiben, ab und an war draußen vom nächsten herunterbrechenden Ast ein gewaltiges Krachen zu hören, und jedes Mal zuckten sie zusammen und schrien auf wie bei einem Sportereignis.
    Cardinal und Catherine mussten die Schlafzimmertür offen lassen, um möglichst viel Wärme aus dem Wohnzimmer zu bekommen. Trotzdem hatte Cardinal eine lange Unterhose an. Catherine schlief, dicht an ihn geschmiegt, ein, doch er lag noch lange wach und dachte abwechselnd an seinen Vater und an Paul Laroche. Er war sich jetzt sicher, dass Paul Laroche Yves Grenelle war, und egal, ob er den Minister Raoul Duquette ermordet hatte oder nicht, hatte er auf jeden Fall Madeleine Ferrier getötet, um seine Vergangenheit weiter geheim zu halten. Und Miles Shackley. Und Winter Cates. Er musste an das Foto in Laroches Büro denken, mit ihm und dem Premierminister in Jagdausrüstung; da lag möglicherweise die Verbindung zu Bressard. Das alles vor Gericht zu beweisen, war allerdings etwas anderes.
    Irgendwann in der Nacht wachte er von einem Geräusch auf, doch er wusste nicht, was er gehört hatte. Wieder ein Ast? Ein Transformator, der explodierte? Er lag still und wartete. Jemand rief aus dem Zimmer nebenan, ein seltsamer, schrillerLaut – halb Schrei, halb Stöhnen. Cardinal stand auf und warf

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