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Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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sich den Morgenmantel über. Er nahm die Taschenlampe von der Frisierkommode und ging ins Wohnzimmer.
    Das Feuer im Ofen war zu Asche heruntergebrannt und warf in der einen Zimmerecke einen matten roten Schimmer über die schlafenden Gesichter von Sally und ihren kleinen Mädchen, die sich einen Riesenschlafsack teilten, und über Mr. und Mrs. Walcott in der anderen. Mrs. Potipher war mit dem Kerosin-Heizkörper in Kellys Zimmer. Der Schrei kam von seinem Vater. Er rief, mit erstickter Stimme, nach Cardinal, der eilig um die schlafenden Gestalten herum hinter den Vorhang trat.
    Sein Vater war halb aus dem Sessel gefallen und hing halb über dem Boden. Er war schweißgebadet, als Cardinal ihn aufrichtete, das Gesicht klatschnass und weiß.
    »Wo sind deine Tabletten?«, fragte Cardinal und richtete die Taschenlampe in alle Winkel. »Dad, wo sind deine Tabletten?«
    Sein Vater stöhnte, sein Kopf hing schlaff gegen die Rückenlehne des Sessels. In seiner Lunge war ein rasselndes Geräusch zu hören.
    Cardinal fand die Tabletten auf einem kleinen Nachttisch. Er drückte eine Kapsel aus der Folie. Er zog seinen Vater im Sessel nach vorne und hielt seinen Kopf in der Armbeuge, so dass er ihm die Kapsel in den Mund schieben konnte. Er rief nach Catherine.
    »Es ist mein Bein«, sagte sein Vater. »Mein Bein tut weh.« In Stan Cardinals stoischer Sprache hieß das, wie Cardinal wusste, dass er Schmerzen von einem bis dahin nicht gekannten Ausmaß litt.
    »Catherine!«
    Catherine erschien am Ende des Vorhangs und entwirrte mit der einen Hand ihre Haare, während sie mit der anderen ihren Morgenmantel zuhielt.
    »Ruf einen Krankenwagen«, sagte Cardinal.
    Catherine ging zum Telefon und wählte eine Nummer. Dann reichte sie Cardinal den Hörer. »Vielleicht reagieren sie schneller auf einen Cop.« Sie kniete sich neben den Sessel. »Wie geht’s dir, Stan? Wie können wir dir helfen?«
    Er griff nach seinem Oberschenkel und stöhnte. Sein Gesicht war aschfahl.
    »John ruft gerade den Krankenwagen. Sie sind gleich hier.«
    »Mein Bein bringt mich um«, sagte Stan. »Nicht im wörtlichen Sinne, hoffe ich.«
    Cardinal diktierte seine Adresse ins Telefon. »Sir, wir schicken jemanden, so schnell wir können. Aber die Straßen sind heute Nacht unmöglich.«
    Cardinal hängte auf und rief die Notaufnahme im städtischen Krankenhaus an. Die Schwester am anderen Ende bat ihn, die Symptome genau zu beschreiben. »In Ordnung«, sagte sie. »Bei einer Vorgeschichte mit Herzinsuffizienz hat er höchstwahrscheinlich ein Blutgerinnsel in seinem Bein. Das ist schmerzhaft, lässt sich aber mit Verdünnungsmitteln behandeln.«
    »John! Ich glaube, er hat einen Herzinfarkt!«
    Cardinal ließ den Hörer fallen. Sein Vater saß aufrecht und fasste sich an die Brust, als wollte er einen Pfeil herausziehen. Dann brach er bewusstlos nach hinten zusammen.
    »Hilf mir, ihn auf den Boden zu legen.«
    Cardinal hob seinen Vater unter den Achseln an; Catherine nahm die Füße. »Er ist eiskalt«, sagte sie. »Seine beiden Beine sind eiskalt.«
    Sie legten ihn auf den Boden, und Cardinal begann mit Kompressionsstößen. Nach je sechs Kompressionen lehnte er sich vor und machte Mund-zu-Mund-Beatmung.
    »Nimm das Telefon, Catherine. Frag sie, was wir als Nächstes tun sollen.«
    Er machte mit der Herzmassage weiter, während Catherine sich Instruktionen einholte. »Sie sagen, du sollst damit weitermachen, bis der Krankenwagen hier ist.«
    »Er atmet nicht, Himmelherrgott noch mal! Vielleicht sollten wir nicht auf den Krankenwagen warten. Vielleicht fahren wir besser selber. Frag sie, wie lange sie brauchen würden.«
    »Wenn wir Glück haben, zehn, fünfzehn Minuten.«
    »Catherine, geh raus und wirf den Wagen an!«
    »Kann ich irgendetwas tun?« Sally stand jetzt neben dem Vorhang.
    »Du kannst Catherine dabei helfen, den Wagen freizukratzen.«
    Catherine und Sally gingen nach draußen. Wenig später hörte Cardinal das knirschende Geräusch von Eisschabern.
    Sein Vater stöhnte und öffnete die Augen.
    Cardinal unterbrach die Behandlung und legte ihm ein Ohr an die Brust. Es kam ein gleichmäßiges Pochen, doch die Lunge schien voller Wasser zu sein.
    »Dad«, sagte er leise. Er legte seinem Vater eine Hand an die Wange. »Dad, kannst du mich hören?«
    »Ja.«
    »Welche von deinen Tabletten ist das Diuretikum? Wir müssen etwas von dem Wasser aus deiner Lunge kriegen.«
    »Orangenen.« Seine Stimme war ein Flüstern; seine Augen schienen auf irgendetwas

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