Blutiges Gold
sich an Tim, dem jetzt etwas unbehaglich zumute war. »Das ist unsere große Chance«, sagte sie ohne Umschweife. »Ich hab überhaupt keine Lust, mich mit zwei Cent pro Dollar abspeisen zu lassen, nur weil Socks keinen einzigen Hehler kennt, der ihn nicht übers Ohr haut. Gib mir einfach eine Chance. Du wirst es nicht bereuen. Am Ende wirst du genug Geld haben, um dir eine ganze Badewanne voll Koks zu kaufen.«
Tim legte seine hübsche Stirn in Falten. Er hasste es, wenn er zwischen den beiden stand. Er blickte zu Socks. Sein Freund hatte einen sturen Ausdruck um den Mund.
»Hör mal zu«, sagte Tim jetzt und legte zwei der Figuren auf die Seite. »Das kriegst du für den Koks, den wir dir noch nicht bezahlt haben, und für noch ein paar zusätzliche Gramm guten Stoff dazu, einverstanden?«
Socks blickte auf das Gold. »Gib mir noch eine dazu.«
Cherelle gab einen klagenden Laut von sich.
Tim ergriff einen der Armreifen und legte dafür eine der Figuren zurück. »Hier. Der ist so viel wert wie zwei von den anderen.«
Socks leckte sich die Unterlippe und schaute gierig auf den Rest des Goldes. »Okay, aber du fährst mit mir nach Vegas. Ich hab’s satt, hinter ihrem alten Wrack herzufahren.«
»Klar doch«, sagte Tim. »In ihrem Auto geht das Radio eh nicht.«
Cherelle beobachtete Socks unglücklich, als er seine beiden Goldfiguren in fettige Servietten einwickelte und in seinen Rucksack schob. Ihr fiel es wirklich schwer, auch nur eines der Stücke ziehen zu lassen. Trotz ihrer großen Worte hatte sie in Wahrheit keine Ahnung, wie viel irgendwas davon wert war. Vielleicht würde sie alles brauchen, um endlich aus dem Loch herauszukommen, das ihr Leben mit der Zeit geworden war.
Tim summte vor sich hin, während er sein Gold in Shorts oder Socken oder sonst was einwickelte, was er gerade aus dem Müllsack zog, der ihm als Koffer diente. Sobald er damit fertig war, stopfte er seine zehn Beutestücke in den Rucksack, der ihn überallhin begleitete. Acht gingen leicht hinein. Mit dem neunten musste er schon kämpfen.
»Vorsicht!«, warnte Cherelle. »Wenn du den anderen Armreif beschädigst, ist er nicht mehr so viel wert. Genauso ist es mit der Brosche. Und …«
»Hier, nimm«, sagte Tim und schob zwei der in Unterwäsche eingewickelten Päckchen zu ihr herüber. »Und geh mir jetzt nicht mehr auf die Nerven, okay?«
»Hey!«, protestierte Socks unglücklich. Er hatte das Gold bereits als sein Eigentum betrachtet, aber er war schlau genug, diese Überlegung für sich zu behalten.
Tim konnte er nicht mehr so leicht beeinflussen, seit der sich mit Cherelle zusammengetan hatte. Sie war eine knallharte Hexe.
»Entspann dich, Kumpel«, sagte Tim mit einem Grinsen. »Sie fährt auch nach Vegas. Nicht wahr, meine Süße?«
»Aber jetzt hat sie das meiste bei sich«, sagte Socks.
Aber es war zu spät. Cherelle hatte sich die beiden Teile von Tims Anteil längst geschnappt und sie in ihre abgeschabte Reisetasche gesteckt, die sich auch als Rucksack tragen ließ. »Wir sehn uns in Vegas, Jungs. Am selben Ort wie immer? Das Motel um die Ecke bei deiner Mutter?«
»Okay.« Tim zog sie zu sich heran, barg sein Gesicht in ihrem Ausschnitt und machte Geräusche wie ein Baby. »Komm nicht zu spät.«
»Mach bloß keinen Scheiß«, knurrte Socks. »Die Zicke hat das meiste von dem Gold.«
»Ich werde schon nicht zu spät kommen«, sagte Cherelle und ignorierte Socks.
Tim nahm seinen Rucksack in die eine und den seines Kumpels in die andere Hand. »Komm schon. Lass uns zu diesem Hehler in Vegas gehen. Er wird schon besser sein als der in Sedona.«
»Aber die Zicke hat das meiste von dem Gold!«
»Jetzt komm schon, Mann«, sagte Tim. »Wenn wir es auf deine Art machen, gibt’s ein ziemliches Gerangel. Wenn wir es auf ihre Art machen, ist das Schlimmste, was passieren kann, dass wir ein bisschen Geld jetzt kriegen und eine ganze Menge Geld später. Was hast du damit für ein Problem?«
Socks versuchte immer noch, Tim sein Problem zu erklären, als die Autotüren bereits zugeschlagen waren und der Motor auf Touren kam.
13
Las Vegas
2. November
Morgens
In dem weiß gestrichenen, mit Perserteppichen ausgelegten Zimmer herrschte vollkommene Stille, von dem gelegentlichen leisen Rascheln abgesehen, wenn Shane eine Seite in einem der Kataloge umblätterte, die Risa ihm zur Durchsicht gegeben hatte. Auf dem Schreibtisch gab es keine gerahmten Fotos aus früheren Zeiten, in der mittleren Schublade steckten keine
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