Blutiges Gold
Wir essen im selben Raum zu Mittag. Ich arbeite an einer Ausstellung für meinen Chef.«
Cherelle schnurrte beinah vor Zufriedenheit. Sie hatte sich schon überlegt, wie sie wohl auf das Thema der Goldobjekte kommen sollte, ohne sie einfach auf den Tisch zu kippen wie einen toten Barsch. »Sind das die auf dem Flugblatt?«
»Flugblatt?«
»Na, du weißt schon. Die Flugblätter unten um das Schaffell herum.«
»O ja, die habe ich ganz vergessen. Die Wahrheit ist, dass ich sie gerne vergessen möchte. Mein Chef steht mir auf den Füßen, weil ich immer noch nichts gefunden habe, was ungewöhnlich genug ist für seine Goldausstellung, die bald anläuft. Die Fotos auf dem Flugblatt zeigen bloß einen Querschnitt von goldenen Objekten, die wir früher ausgestellt haben, und außerdem noch ein paar Stücke, die auf die sensationelle Druidengold-Ausstellung neugierig machen sollen.«
»Druidengold? Was soll das sein?«
Risa hielt einen Moment inne und überlegte, wie sie es Cherelle erklären konnte, ohne ihr das Gefühl mangelnder Bildung zu geben. »Weißt du noch, als wir in der Schule die Geschichte Englands durchnahmen?«
»Küken, ich hab doch nie was gelernt. Lernen war nur was für die Dummen.«
»Wie ist es mit Stonehenge? Klingelt’s da bei dir?«
»Dieser große alte Steinkreis, wo die Leute verkleidet drum herum tanzen und so tun, als seien sie Hexen oder Zauberer?«
Risa lachte. »So ähnlich.« Es war egal, dass Stonehenge schon sehr lange existiert hatte, ehe die Druiden auf den Plan getreten waren. Hauptsache, Cherelle besaß irgendeinen Anhaltspunkt, auch wenn er noch so vage war. »Als die Erbauer von Stonehenge bereits verschwunden waren, tauchte in Europa ein Volk auf, das wir als Kelten kennen. Das war lange vor Christi Geburt. Sie verbreiteten sich in alle Himmelsrichtungen, bis sie schließlich vor ungefähr dreitausend Jahren auch die Britischen Inseln erreichten.«
»Echt?« Cherelle kramte in ihrer alten Rucksacktasche nach Kaugummi. Sie hatte einen Geschmack im Mund, von dem eine Made kotzen müsste. Der bestellte Cosmopolitan würde da schon Abhilfe schaffen, aber der Drink war noch nicht da, nur der abscheuliche Geschmack.
»Ja«, stimmte Risa zu, als der Aufzug langsamer wurde. »Die Kelten waren Meister in der Metallbearbeitung. Es gibt sogar Wissenschaftler, die behaupten, die Kelten hätten den Griechen beigebracht, wie man Gold schmiedet. Andere lehnen den Gedanken natürlich völlig ab, dass irgendjemand den Griechen irgendetwas hätte beibringen können. Wir leben in einer sehr eurozentrischen Gesellschaft.«
Cherelle wickelte ein Kaugummi aus.
»Tut mir leid, Kükenmutter«, sagte Risa. »Ich vergesse immer, dass sich nicht jeder für denselben Kram interessiert wie ich.«
Und darüber zu reden, vergrößerte nur die Kluft zwischen ihr und ihrer Kindheitsfreundin, statt eine Brücke zu bauen.
Der Aufzug hielt an. Die Tür öffnete sich in einen Flur, der genauso still war wie der vorherige, aber nicht so schlicht. Die Wand auf der einen Seite war mit Holz verkleidet, an der anderen hingen gerahmte Bilder unterschiedlicher Art. Den Boden bedeckte ein dichter bunter Teppich.
»Hier entlang.« Risa deutete nach links. »Mein Büro ist direkt neben dem ›Museum‹.«
»›Museum‹.« Cherelles Stimme verriet ungefähr so viel Begeisterung wie nach der Ankündigung einer komplizierten Zahnbehandlung.
»Das ist es nicht wirklich«, versicherte Risa. »Ich nenne es nur so, weil wir da eine Menge von Objekten rumliegen haben, solange wir uns noch nicht darüber im Klaren sind, was für die Ausstellung am besten passen würde.«
»Gold?«, fragte Cherelle mit neu erwachtem Interesse und wandte sich zu Risa um.
»Gold.«
»Das interessiert mich schon eher, Küken.«
Lachend schlang Risa einen Arm um die Freundin. Cherelles geradezu fröhliche Geldgier wirkte erfrischend nach den stundenlangen Telefonaten mit Vertretern von Auktionshäusern, die immer so taten, als müssten sie ersticken, wenn man sie nach dem Wert eines Objektes fragte. Es ging ja um Kultur .
Aber es war auch Kommerz, das wusste in dem Geschäft jeder. Je mehr die Auktionsleute die Kultur hochhielten, desto höher stiegen die Preise.
»Zeig mir doch was davon«, sagte Cherelle und blickte sich neugierig um.
»Schmuck?«
»O ja, dicke Brocken Gold.«
»Dann komm hier lang.«
Cherelle folgte Risa zu einem langen Kasten mit Glasdeckel. Risa zeigt auf die Objekte, die darin lagen.
»Das sind einige der
Weitere Kostenlose Bücher