Blutiges Gold
Stücke, die Shane für die Druidengold-Ausstellung gesammelt hat, die an Silvester eröffnet wird.«
Beim Gedanken an die Zeit, die unaufhaltsam voranschritt, krampfte sich Risas Magen zusammen. Das einzig Tröstliche war, dass die anderen Späher für Shane bisher genauso erfolglos geblieben waren wie sie. Bis jetzt zumindest.
Cherelle beugte sich so dicht über die Vitrine, dass das Glas durch ihren Atem beschlug. Brummend nahm sie den Kopf wieder etwas höher und starrte gebannt hinein. Diese Sachen hier sahen dem, was sie besaß, schon ähnlicher als die Fotos auf dem Flugblatt. Nur waren diese hier schon ziemlich ramponiert, als hätte man sie lange in Rucksäcken herumgeschleppt und auf harten Betonboden fallen lassen.
Cherelle zählte stumm. Achtzehn Teile. Das war eines mehr als das, was sie im Kofferraum ihres Wagens eingeschlossen hatte.
»Wie nennt man die da?«, fragte Cherelle.
Risa folgte dem ausgestreckten Finger mit den Blicken. »Das sind Torques. Wie Armspangen für den Hals.«
»Massives Gold?«
»Einige Torques schon. Die hier sind es nicht. Sie sind hohl, aber ihre Geschichte ist sehr …« Risa brach ab, weil Cherelle offensichtlich nicht mehr zuhörte.
»Und die hier?«
»Armreifen.«
»Massiv?«
»Dicke Goldfolie über Eisen. Die Verzierung ist schlicht, aber exzellent ausgeführt.«
Cherelle interessierte sich nicht für irgendwelche Verzierungen. »Und die hier?«, fragte sie und zeigte wieder auf ein Stück.
»Das sind Gewandfibeln. Wie schicke Sicherheitsnadeln, um Kleider zusammenzuhalten«, ergänzte sie hastig. »Zu der Zeit gab’s noch keine Reißverschlüsse oder Knöpfe.«
»Diese Broschen sind aus massivem Gold?«
»Die beiden rechts, ja.«
»Sind ziemlich klein, nicht wahr?«
»Sie dienten wahrscheinlich als Votivgabe – eine Art Geschenk für die Götter, damit die Götter den Gebeten zuhörten.«
Cherelle kaute auf ihren Lippen herum und fragte sich, was diese Sachen in der Vitrine wohl wert sein mochten.
Risa beobachte Cherelles Gesichtsausdruck. Die Freundin war in vieler Hinsicht die ideale Testperson. »Worüber denkst du nach?«
Cherelle zuckte mit den Achseln. »Mit dem Zeug hier ist es wie bei einer alten Nutte. Die wesentlichen Teile sind wie bei den jungen, aber schon so abgenutzt, dass das den Preis ziemlich nach unten drückt.«
Risa betrachtete sich den ramponierten Metallbogen, der wahrscheinlich vom Pflug desselben Bauers beschädigt worden war, der den Schatz entdeckt hatte. Die übrigen Gegenstände wiesen Kerben, Beulen, Verbiegungen, Verformungen, Unregelmäßigkeiten und sichtbare Brüche auf, die heutige Augen störten, die an neuen, industriell hergestellten Schmuck gewöhnt waren.
In Risas Augen war allerdings jede Kerbe von unschätzbarem Wert, erzählte sie doch vom Entstehen, Tragen, vom Weiterreichen von einer Generation zur nächsten, vom Vergraben und wieder Ausgraben. Jedes dieser Stücke hatte eine überaus spannende Geschichte. In ihren Tagträumen dachte sie häufig über die Geschichten nach, die diese Schmuckstücke erzählen könnten.
»Wenn man zwischen fünfzehnhundert und dreitausend Jahre alt ist, ist das eben zu sehen«, meinte Risa.
Cherelle drehte ihren Kopf ruckartig zu Risa hinüber. »Was?«
»Fünfzehn bis dreißig Jahrhunderte.«
Cherelle verschluckte vor Überraschung ihr Kaugummi. »Heilige Scheiße.«
Risa lächelte schief. So konnte man es auch ausdrücken. »Tja, eine ziemlich lange Zeit.«
»Ich denke mal, die Sachen sind deshalb mehr wert, oder?«
»Mehr als das Goldgewicht? Das auf jeden Fall.«
»Wie viel mehr?«
»Das hängt von vielen Dingen ab.«
»Zum Beispiel?« Cherelle ließ nicht locker.
»Alter, Seltenheit, künstlerischer Wert und Provenienz – das bedeutet, wo es herstammt und wie gut es dokumentiert ist.«
»Dokumente, was?« Cherelle kaute noch mehr auf den Lippen herum. Das konnte ein verdammt großes Problem werden. »Und für dieses ganze Zeug hier gibt’s Papiere?«
»Es ist so: Das meiste wurde irgendwann früher ausgegraben von den Vorfahren der adligen Männer und Frauen, die dann Teile ihres Erbes verkaufen mussten, um den Rest behalten zu können. Andere stammen von Museen, die ihre Bestände bereinigten. Ein paar sind wahrscheinlich von den Findern gestohlen worden, die dem Grundbesitzer nichts davon gesagt haben.« Risa zuckte mit den Achseln. »Aber das ist schon so lange her, dass es heute keine Rolle mehr spielt.«
»Wie lange müsste das sein?«
Risa
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