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Blutiges Schweigen

Blutiges Schweigen

Titel: Blutiges Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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lockerten sich, und sein Körper schien sich auszudehnen, als fülle er sich mit Luft. Plötzlich war jeder Zentimeter seiner eins achtzig sichtbar. Die Schultern wurden breiter, die Brust kräftigte sich, der gebeugte Rücken wurde gerade. Markham wich zurück. Er spürte, ohne den Grund wirklich zu verstehen, dass Sykes sich gerade in einen anderen Menschen verwandelte. Nervosität und mangelndes Selbstbewusstsein waren wie weggeblasen,
ebenso wie Erwartungshaltung und Unsicherheit. Schließlich hob Sykes den Kopf und blickte Markham in die Augen. Langsam breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Und in diesem Moment wurde Markham klar, dass alles nur Theater gewesen war.
    »Sie wollen wissen, wen ich sehe, Dr. Markham?«, fragte er, und selbst seine Stimme klang jetzt anders. »Sie wollen wissen, wer jeden Tag voller Angst aus einem Loch im Boden zu mir aufschaut?« Seine Augen funkelten. Sie waren so dunkel wie der Eingang zu einem Grab. »Ich sehe Ihre Frau.«

56
    In dem Haus war es totenstill. Auf dem Bildschirm hatte Markham aufgehört zu sprechen und wischte sich über ein Auge. Er hatte gerade seine erste Begegnung mit Glas geschildert.
    Healy wandte sich zu mir um. »Glas hat Markhams Frau entführt?«
    »Jetzt haben wir wenigstens eine Erklärung dafür, warum sie wie vom Erdboden verschluckt ist.«
    Wir betrachteten Markham. Das Bild war verschwommen. Auf dem Bildschirm des Fernsehgeräts sah seine Haut blass aus. Er rutschte auf seinem Stuhl herum, als sei es ihm unmöglich, eine bequeme Sitzposition zu finden.
    »Also war Markham nur eine Marionette«, stellte Healy fest.
    »Offenbar.«
    »Warum? Welchen Grund hat Glas, Markham einzusetzen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Vielleicht werden wir es bald erfahren.«
    Wir schauten wieder zum Bildschirm. Markham rang noch immer um Fassung. »Glas«, sagte Healy leise, als sei ihm gerade etwas eingefallen. Er streckte die Hand aus und drückte auf PAUSE. »Er hat eine Krankengeschichte. Sie haben Markham ja gehört. Gebrochener Arm, Panikattacken, Schmerzen in der Brust. Also können wir ihn finden.«

    »Es wird nicht seine eigene sein.«
    »Was soll das heißen?«
    »Wenn Markham eine Krankengeschichte vorliegen hatte, war es nicht die von Glas. Er ist zu vorsichtig, um einen solchen Fehler zu machen.«
    Wir verstummten. Ich drückte wieder auf PLAY.
    »Danach war alles nur noch Lüge«, fuhr Markham auf dem Bildschirm fort. »Aber ich habe es getan, um Sue zu schützen. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass er sie quälen würde. Ständig rief er mich an und drohte, unaussprechliche Dinge mit ihr zu machen  – sie aufzuschlitzen, zu erstechen, in kleine Stücke zu schneiden. In den Tagen nach seinem ersten Besuch habe ich versucht, mich zu wehren. Ich wollte ihn finden. Aber er wusste immer, was ich tat, und beobachtete mich die ganze Zeit. Ich habe es nicht geschafft, ihn aufzuspüren. Nichts. Seine Krankenakte war gefälscht. Seine Mobilfunknummer gab es nicht.« Er blickte sich um. »Nicht einmal die Bruchbude, in der ich seinetwegen wohnen muss, gehört ihm. Drei oder vier Tage, nachdem er bei mir gewesen war, rief er mich an, nur um mir zu zeigen, wer hier wirklich das Sagen hat. Ich musste zuhören, wie sie um ihr Leben flehte.«
    Eine lange Pause. Wir warteten darauf, dass Markham weitersprach.
    »Ich hatte Angst vor ihm, und das wusste er. Er nutzte es aus. Wenn ich nach Hause kam, hatte er Kleinigkeiten verändert, um mir zu zeigen, dass er hier gewesen war. Er legte neue Spielsachen aufs Fensterbrett, stellte die Schaufensterpuppen um oder stülpte ihnen Gummimasken über. Einmal hat er Sues Bluse mitten im Wohnzimmer zurückgelassen. Mit Blut darauf. Da habe ich wirklich Panik gekriegt.«
    Er schniefte und rutschte auf seinem Stuhl herum. Als ich Healy einen Blick zuwarf, bemerkte ich, dass er wieder langsam Daumen und Zeigefinger aneinanderrieb. Diesmal war
es nicht die Gier nach Nikotin, sondern ein Gefühl der Unvermeidbarkeit, das sich über uns senkte. Die Furcht vor dem Schlimmsten, das erst noch kommen würde. Es würde Healy das Herz aus dem Leibe reißen.
    »Also habe ich drei von ihnen entführt«, sprach Markham weiter und blickte in die Kamera. Ich spürte, wie Healy neben mir zusammenzuckte. »Er hat mir gesagt, wen ich ihm bringen soll, und ich habe es getan. Denn die Alternative wäre gewesen, dass er Sue tötet. Ich war … ich habe …«
    Wieder eine Pause. Ich sah Healy an. Er nahm die Bewegung wahr. Ich

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