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Blutiges Schweigen

Blutiges Schweigen

Titel: Blutiges Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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dass Megan noch lebt, und Beweise dafür haben und falls sie außerdem denken, dass eine Verzögerung die Chancen, sie lebend zu finden, verschlechtern könnte, dürfen sie dich sofort nach diesem Telefonat vernehmen.«
    Ich spähte durch die Scheibe in den Raum, wo Phillips, Davidson und Fryer mich in Haft genommen hatten. Inzwischen hatte sich Hart zu ihnen gesellt. Und dann war da noch jemand, den ich nicht kannte. Uniform. Anfang fünfzig, aber durchtrainiert. Auf der Schulter seines Hemds prangten seine Rangabzeichen. Eine Krone mit roter Einfassung und darunter ein vierzackiger Stern. Er schien zu spüren, dass ich ihn betrachtete, denn er erwiderte meinen Blick.

    »David?«
    Ich beobachtete den Mann noch eine Weile. »Und wer gibt den Befehl?«
    »Welchen Befehl?«
    »Den Anwalt zu umgehen.«
    »Es muss ein Superintendent oder ein noch höherrangiger Polizist sein.«
    Zwischen Fryer und Hart stand, einen Ausdruck meines Festnahmeprotokolls in der Hand, der Superintendent des Reviers und sah mich noch immer an.

37
    Zwanzig Minuten später saß ich in Vernehmungszimmer vier. Das Aufnahmegerät lief. Zwischen uns standen drei Becher Automatenkaffee. Alle unberührt. Der Raum war kleiner als der, in dem ich das letzte Mal gewesen war. Das gehörte alles zum Spiel. Kleineres Zimmer. Kleinere Fenster. Weniger Luft zum Atmen. Sie versuchten, alle psychologischen Vorteile auf ihrer Seite zu haben.
    Nachdem Phillips auf PLAY gedrückt hatte, sprach er seinen und Davidsons Namen aufs Band und forderte mich auf, meinen Namen und meine Adresse zu bestätigen. Vor ihm auf dem Schreibtisch lag ein dünner brauner Pappordner. Ich konnte sehen, dass die Ecken von Fotos herausragten. Er hatte die flache Hand auf dem Ordner liegen, als befürchtete er, dass er sich plötzlich in Luft auflösen könnte. Davidson saß neben ihm und hatte dieselbe lässige Körperhaltung angenommen wie bei unserem ersten Gespräch: zurückgelehnt, ohne Sakko, ein zu enges T-Shirt, Arme verschränkt und auf dem Bauch ruhend.
    »Also, David«, begann Phillips, »lassen Sie uns anfangen.
Ich werde Ihnen zuerst ein paar grundlegende Fragen stellen, einverstanden? Können Sie uns Ihren Beruf schildern?«
    Davidson grinste hämisch. Ich sah ihn an. »Was ist daran so komisch?«
    »David?«
    Ich wandte mich wieder Phillips zu, antwortete aber nicht.
    »David?«
    »Ich ermittle in Vermisstenfällen.«
    Davidson nickte. Gekünstelte Offenheit. Er beugte sich vor und griff nach einem Kaffeebecher, alles Gesten, um auf sich aufmerksam zu machen.
    »Warum ausgerechnet vermisste Personen?«, hakte Phillips nach.
    »Etwa vier Monate, nachdem ich bei der Zeitung gekündigt hatte, hat mich eine Freundin meiner Frau gebeten, ihr bei der Suche nach ihrer verschwundenen Tochter zu helfen.« Ich hielt inne. Die beiden sahen mich an. Phillips rührte sich nicht. Davidson rutschte auf seinem Stuhl herum. »Das habe ich dann auch getan. Danach hat sich ein Ehepaar an mich gewandt. Und noch eines. Und noch eines. So ist es eben irgendwann zum Beruf geworden.«
    »Sind Sie registriert?«
    »Wo? Beim Verband der Privatdetektive? Nein, ich bin nicht registriert. Und ich habe weder den kostenlosen Newsletter noch die vierteljährliche Ausgabe von Der Privatdetektiv abonniert.«
    »Wie erfahren die Leute dann von Ihrer Existenz?«
    »Gelbe Seiten. Mund-zu-Mund-Propaganda.«
    »Haben die Carvers durch Mund-zu-Mund-Propaganda von Ihnen gehört?«
    »Das müssen Sie sie selbst fragen.«
    »Haben sie es Ihnen nicht gesagt?«
    »Normalerweise interessiert es mich nicht.«

    »Was soll das heißen?«
    »Dass die Leute, die sich an mich wenden, meistens völlig fertig sind, weil ihre Kinder schon seit einem Monat nicht mehr nach Hause gekommen sind. Ich führe keine Marktanalysen durch, sondern versuche, den wichtigsten Menschen in ihrem Leben wiederzufinden.«
    »Und tun Sie das?«
    »Was soll ich tun?«
    »Sie finden?«
    Ich nickte. »Immer.«
    »Also sind Sie gut in Ihrem Job?«, erkundigte sich Phillips.
    Ich sah zwar Davidson an, richtete meine Antwort aber an Phillips. »Ich glaube, Sie und ich definieren die beruflichen Fähigkeiten eines Menschen vermutlich anders.«
    Davidson beugte sich vor und legte beide Hände auf den Tisch, als hätte er Mühe, sich zu beherrschen. Wenn das Band nicht gelaufen wäre, hätte er sicher etwas gesagt.
    »Was haben Sie über Megan Carvers Verschwinden in Erfahrung gebracht?«, fragte Phillips und starrte auf die Akte, die noch geschlossen

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