Blutjägerin (German Edition)
überdie Schulter, lauschte, ob sie jemand verfolgte, und brachte den Vampir schließlich nach draußen.
„Ich bring dich in Sicherheit. Es ist nicht weit von hier“, versuchte sie, ihn zu motivieren.
Sie hoffte, dass Dominik nichts von der Villa ihres Vaters in Venedig wusste. Die Nachtluft schien Clement etwas seiner Lebensenergie zurückzugeben. Er wirkte immer noch wie der wandelnde Tod. Zumindest musste sie ihn nicht mehr hinter sich herziehen. Er folgte ihr aus eigener Kraft.
Verdammt, Gerald würde ihr niemals verzeihen, wenn er seinen Bruder in diesem Zustand vorfand. Es war alles ihre Schuld. Nur weil sie so naiv gewesen war, dieses Video falsch zu deuten. Doch wer ahnte, dass Firenzes Plan so weit reichte, bis ins kleinste Detail durchdacht war?
Sie erreichten den Canal Grande an der Stelle des Ponte di Rialto, die den Stadtteil San Polo mit San Marco verband, und Sophie wunderte sich, so weit gekommen zu sein. Sie hielt für einen Moment inne, um sich zu orientieren.
„Ich war noch nicht oft hier.“ Sie hatte das Gefühl, sich bei ihm entschuldigen zu müssen, nicht nur dafür, dass sie nicht genau wusste, wo es langgeht. Er antwortete nicht. Schwer atmend lehnte er an einer Hauswand, Schweiß glänzte auf seiner Stirn. „Alles so weit in Ordnung?“
Er nickte abwesend. Der kurze Energieschub schien aufgebraucht. Dennoch liefen sie weiter, bis sie plötzlich hörte, wie Clement hinter ihr zu Boden fiel. Sie wollte die paar Schritte zurücklaufen, als sie Gerald sah.
Mitten auf dem Platz vor ihr stand er und fixierte sie mit einer Miene, die sie zu Eis erstarren ließ. Er hatte sich verändert. Sein Anzug war einer Lederrüstung gewichen, die an vereinzelten Stellen mit Metallplatten beschlagen war. Im Licht der Laternen wirkte er wie eine aus Metall gegossene Statue.
Ihn hier und jetzt zu sehen, ließ sie an ihren Traum denken. Zweifel, Ängste und Verzweiflung kamen auf, ohne dass sie es beeinflussen konnte. Wie von selbst vermischte ihr Unterbewusstsein den Leichnam ihrer Mutter mit Geralds blutverschmiertem Mund. War er es? Hatte er sie getötet?
„Was willst du hier, Gerald?“
„Dich finden“, seine Stimme war dunkler als sonst und sein Blick düster. „Wie konntest du mich so täuschen, Jägerin?“
„Ach. Ich habe dich getäuscht? Andersrum wird ein Schuh draus – Blutsauger.“
Der erste Schreck, ihn hier zu sehen, verflog. Sie fasste nicht, dass ausgerechnet er ihr Vorwürfe machte. Das Blut rauschte in ihren Ohren und über ihren immer heftiger werdenden Herzschlag musste sie ihm die Frage stellen, die sie am meisten quälte.
„Warst du es? Hast du meine Mutter ermordet und mir dann die Erinnerung daran genommen?“ Sie tastete nach der Pistole in ihrem Halfter und zog den Dolch aus der Scheide. „Verdammt noch mal, wie konntest du derart mit meinen Gefühlen spielen?“
Mist, durch die Tränen in ihren verräterischen Augen sah sie ihn nur undeutlich. Sollte er sie angreifen, wäre sie womöglich nicht nur zu langsam, weil sie ein Mensch war, sondern auch noch durch den Tränenschleier gehandicapt. Die Erinnerungen an seine zärtlichen Berührungen und seine sanften Worte machten es nicht besser, ließen sie fast zusammenbrechen und heulen wie ein Baby.
Er rührte sich nicht. Stand nur da wie ein stahlharter Krieger.
Sie stieß die Luft aus, wischte sich die verräterischen Tränen von ihrer Wange und ging auf ihn zu. „Wie konntest du nur? Ich will die Wahrheit hören. Hast du nur mit mir gespielt?“ Ihre Stimme klang rau und das Sprechen tat im Hals weh. „Du wusstest, wie sehr ich dein Volk hasse.“
Er warf den Kopf zurück und lachte ohne Humor. „Ja, eben, das war genau das Problem – Jägerin.“
Er verhöhnte sie. Das war zu viel. Sie stach zu. Schnell und präzise, wie ihr Vater es sie gelehrt hatte.
Doch Gerald reagierte blitzschnell. Er zog seinen Degen und parierte mit Leichtigkeit ihren Dolchstoß. „Ich habe nichts von alldem getan, aber du … du hast meinen Bruder geraubt, nachdem er dir zu Hilfe eilte“, konterte er und drückte ihre Dolch-hand zu Boden. „Wo ist er?“
„Warum sollte ich dir das sagen, du Lügner.“ Sie zog den Dolch unter dem Degen weg, stach erneut zu, kam jedoch nicht weiter als zuvor.
„Ich will wissen, wo er ist.“
„Vielleicht hab ich ihn getötet, genau, wie du meine Mutter getötet hast.“
„Das denkst du?“, knurrte er, attackierte sie mit einem halbherzigen Degenhieb, den sie so einfach parierte wie
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