Blutjägerin (German Edition)
trank einen Schluck. Andere beobachteten ihr Gespräch interessiert. Padro Libri beugte sich noch weiter vor.
„Hat er in seinen Aufzeichnungen auch erwähnt, dass dieser Kerl nicht Jonathan Firenze sein kann?“ Seine Stimme war nur noch ein leiser Hauch.
„Nein … wie meinen Sie das?“
„Jonathan müsste längst ein alter Mann sein.“
Sophie warf einen Blick zu dem großen, schlanken Jäger, dessen Gesicht und das volle, blonde Haar nicht das eines alten Mannes war. „Sind Sie sicher?“
Libri nickte. „Ich kannte auch seinen Vater, ein ebenso großer Jäger, der zu früh von uns gegangen ist. Er hatte immer mit seinem Sohn geprahlt, aber das ist Jahrzehnte her. Damals war ich selbst noch ein junger Mann.“
„Ich bin zu wenig mit dieser Welt vertraut“, gestand Sophie. „Aber wenn er nicht Jonathan Firenze ist, wer dann? Ein Enkelsohn oder ein Betrüger?“
Dieses Mal zuckte er mit den Schultern. „Darum bin ich hier. Ich möchte herausfinden, aus welchem Motiv heraus er die Orden vereinen will und bin gespannt, jene Waffe zu sehen, die er heute Abend präsentieren wird.“
„Glauben Sie, dass es noch weitere gibt, die ihm gegenüber misstrauisch sind?“ Inzwischen waren noch mehr Gäste eingetroffen und der Saal hatte sich so weit gefüllt, dass sie die Anzahl der Versammelten nur noch schätzen konnte.
„Zu wenige, fürchte ich. Die meisten hoffen auf jemanden wie ihn, der sie eint und in ein neues Zeitalter führt. Raus aus der tristen Vergessenheit. Er ist nicht der Einzige, schon viele verfolgten den Plan, die Orden zu einen, doch alle scheiterten. Nur Ihr Vater und ausgerechnet der des echten Jonathans vermochten es, Allianzen zu bilden, mit deren Hilfe große Überfälle auf Vampirhorte möglich waren.“
Er wollte noch weiter sprechen, aber Jonathan erhob in diesem Moment die Stimme und bat alle Versammelten in den Raum nebenan.
„Wir sprechen später weiter“, sagte sie zu Padro Libri und folgte der Menge in einen festlich geschmückten Saal mit zahlreichen runden Tischen, die fürstlich gedeckt und mit Namenskärtchen bestückt waren, die jedem Ordensmeister seinen Platz zuwiesen. Nach einem kleinen Tumult mit Rufen wie „hier drüben“, hatten alle ihre Plätze gefunden, ebenso Sophie. Sie begrüßte die Jäger an ihrem Tisch, die sich höflich vorstellten und ihr Beileid aussprachen.
Sie suchte Padro Libri, fand ihn aber nicht mehr. Bei den mehr als zwanzig Tischen, die bis auf wenige Ausnahmen mit sechs Gästen belegt waren, kein Wunder. Geschätzt mussten an die Hundert Jäger Jonathans Aufruf gefolgt sein. Wesentlich mehr als Sophie erwartet hatte. Sie war überrascht, wie viele aktive Orden es noch gab. Viele Meister waren nicht allein gekommen, sondern in Begleitung eines Ordensjägers oder mit ihrem zukünftigen Nachfolger.
Während ein gutes Dutzend Kellner zwischen den Tischen umhereilte, gekleidet in Uniformen, die das Zeichen des Ordens trugen und Getränke und Vorspeisen der venezianischen Küche servierten, begab sich Jonathan auf den Weg zur Bühne. Er zeigte keine Nervosität. Stattdessen strahlte er Überheblichkeit aus. Er trat gemächlich vor das Rednerpult und klatschte in die Hände. Hinter ihm entrollte sich ein Banner, das ein Wappen trug.
„Geschätzte Brüder des Eides“, begann er mit selbstsicherer Stimme. Dabei deutete er mit erhobener Hand auf das Banner hinter sich. „Mit diesem Wappen, das den Grund symbolisieren soll, weshalb ich euch alle einlud, möchte ich die Versammlung eröffnen.“
Er machte eine Pause, gab den Kellnern Gelegenheit, ihre Arbeit zu erledigen, damit alle Aufmerksamkeit auf ihm ruhte, als er weitersprach.
„Zwei gekreuzte weiße Schwerter auf schwarzem Hintergrund sollen die Vereinigung unserer Kräfte im Kampf gegen das Volk der Finsternis darstellen“, posaunte er theatralisch. Was folgte, war eine Präsentation vergangener Ereignisse, in denen Jonathan anhand von Zeitungsausschnitten, Zitaten, Bildern und zu guter Letzt mit einem Ausschnitt aus Sophies Video darstellte, zu welch neuer Gefahr sich die Vampire in den vergangenen Monaten entwickelt hätten. Er ersparte Sophie nicht den Moment, in dem ihr Vater tot zusammenbrach. Ihr fiel beinahe das Glas aus der Hand. Unzählige Blicke schwangen in ihre Richtung. Langsam begann sie, diesen aufgeblasenen Pfau zu hassen.
„Ja, selbst Friedrich Richter wurde Opfer dieser neuen Bedrohung!“ Er richtete seinen Blick auf eine Gruppe von Männern. Geldgeber, wie sie
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