Blutjägerin (German Edition)
es nicht“, antwortete sie, denn ihre Stimmung drehte sich mit jeder Sekunde. Einmal hatte sie das Bedürfnis, einfach loszuheulen, dann wieder spürte sie, wie sich Leere ausbreitete. Vorhin am Tatort hatte sie sich noch eindeutig besser gefühlt und sie wusste nicht, ob es Geralds Gegenwart war oder der Schock. Es war seltsam, aber auch jetzt noch hatte der Gedanke an ihn und seine wärmende Berührung etwas Beruhigendes.
„Es tut mir leid, was geschehen ist.“
„Das muss es nicht.“ Sophie hegte keinen Groll gegen Dominik oder Wilhelm. „Mein Vater wusste, was er tat.“
„Ja, er wusste, was er tat.“ Dominik nickte und senkte den Blick. Er trank einen Schluck Bier und wischte mit der Hand die Schaumreste von seinen Lippen.
Der Wirt brachte ihr den Kaffee. Sie tropfte Sahne in die Tasse, nippte und spürte, wie sich Übelkeit ausbreitete. „Erzähl mir, was passiert ist“, bat sie Dominik. Sie wollte jedes Detail wissen. „Ich will versuchen, es zu verstehen.“
„Darum habe ich dich hergebeten.“ Er seufzte, drehte das Glas in seiner Hand. „Wir waren jagen. Zum ersten Mal seit Jahren hatten wir wieder ein Ziel vor Augen, einen Plan mit Aussicht auf Erfolg.“ Er griff in seine Tasche, zog eine Schachtel Zigaretten hervor, steckte sich eine in den Mund und bot Sophie eine an. Sie lehnte dankend ab.
„Ist auch besser so“, meinte er. „Dein Vater beschattete seit Wochen einen Mann, und als er überzeugt war, dass dieser Kerl der Vampir war, nach dem er lange gesucht hatte, weihte er uns in seinen Plan ein.“ Dominik sog an seiner Zigarette. „Wilhelm und ich wussten bis heute Abend nichts davon. Er wollte dich heute Abend überraschen.“
„Wie, er wollte mich überraschen?“
„Nun … er wollte dir den Kopf des Mörders deiner Mutter präsentieren.“
Ihr fiel beinahe die Tasse aus der Hand. Der heiße Kaffee schwappte über den Rand, lief über ihre Finger. Sie dachte an die Leiche der Bestie. Der Vampir, den sie eben gesehen hatte, war der Mörder ihrer Mutter?
„Ob er wirklich der Mörder deiner Mutter war, kann ich nicht sagen. Niemand kann das, denke ich. Aber dein Vater glaubte es. Wilhelm und ich hatten den Auftrag, die Straße abzusichern, während dein Vater auf den Vampir wartete. Er tauchte pünktlich auf und tappte in die Falle. Dann hat dein Vater ihn getötet.“
Sophie versuchte, sich die Szene anhand der Erinnerungen an den Tatort vorzustellen. Dominiks Erzählung passte nicht mit den Bildern zusammen. Wenn ihr Vater den Vampir getötet hatte, woran war er dann gestorben? „Was ging schief?“
Er zuckte mit den Schultern. „Ich kann dir nicht sagen, was genau geschehen ist. Wie ich schon sagte, war es meine Aufgabe, die Straße abzusichern. Ich war zu weit weg, als es passiert ist.“ Er zog erneut an seiner Zigarette, hustete und trank einen Schluck Bier. „Kurz, nachdem dein Vater den Vampir getötet hatte, tauchte ein Mann auf. Ich hörte, wie er den Namen deines Vaters rief und einen Augenblick später lag Friedrich tot am Boden.“
„Wie sah der Mann aus?“ Die Sache nahm immer seltsamere Formen an.
Dominik schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, aber ich habe nur seinen Schemen gesehen und wie er sich über den Körper deines Vaters beugte. In diesem Moment fuhren schon die ersten Polizeiwagen vor. Da bin ich abgehauen und ich schätze, Wilhelm hat es mir gleichgetan.“
„Wer war dieser Mann?“
„Vielleicht weiß Wilhelm mehr darüber. Friedrich hatte ihn beauftragt, eine Kamera aufzustellen, die den Kampf filmt. Er wollte es dir präsentieren.“
„Ein Video?“, wiederholte Sophie, als müsse sie aus ihrem eigenen Mund hören, was der alte Jäger gesagt hatte. Was wollte ihr Vater damit? War es eine weitere Masche, sie zur Rückkehr zu bewegen oder wollte er beweisen, dass sie ihm die ganzen Jahre Unrecht getan hatte? Jedenfalls war es eine groteske Idee, wie nur er sie haben konnte. „Dann müssen wir Wilhelm finden.“
Er schüttelte den Kopf. „Das ist nicht einfach. Hast du vergessen, wie er ist? Er verschwindet manchmal für Tage oder Wochen und niemand weiß, wo er ist. Wir können nur abwarten, bis er im Quartier auftaucht.“
Dominik hatte recht. Sophie erinnerte sich sehr gut an den introvertierten und ständig schlecht gelaunten Wilhelm. Sie hatte ihn nie gemocht. Es war gut möglich, dass er für immer verschwand.
„Du weißt nicht, wo Wilhelm die Kamera aufgestellt haben könnte?“
„Nein“, antwortete Dominik.
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