Blutjägerin (German Edition)
aufgerissenen, leblosen Augen starrten Jonathan an.
„Erbitte eine Audienz bei Kardinal Angelo. Dieser Kopf wird dir alle Türen öffnen.“
„Wer ist dieser Vampir, das Rom sich für ihn interessieren könnte?“ Er hatte das Gesicht dieses Vampirs nie gesehen. Er wirkte nicht wertvoller als die Kanalratte, die er vor einigen Monaten erlegt hatte.
„Ein Reinblüter erster Klasse.“ Die knochigen Finger legten das bluttriefende Haupt auf den Stoff des Sackes. „Linus Leclerc.“
„Aus dem Leclerc Clan?“
„Wunderbar, nicht war?“ Er schlug die Kapuze zurück und sein verzerrtes Gesicht beäugte die Beute mit gerümpfter Nase.
„Woher hast du ihn?“ Jonathan betrachtete die verätzte Schussnarbe am Hals des Vampirs. Eindeutig das Geschoss eines Jägers. Demnach hatte sein Vater den Vampir nicht selbst getötet.
„Dein Informant aus Wien hat uns nicht belogen. Sein Ordensmeister war diesem Vampir auf der Spur.“
Tatsächlich hatte Jonathan vor wenigen Wochen einen Anruf aus Wien erhalten. Das war, nachdem er versucht hatte, mit den anderen Orden Kontakt aufzunehmen. Der Anrufer hatte berichtet, dass Friedrich Richter, der jegliche Zusammenarbeit mit Jonathan abgelehnt hatte, einem Reinblüter auf der Spur sei. Sie hatten sich unterhalten und Richters Laufbursche war angetan von Jonathans Plänen, die Jäger in einen zweiten Frühling zu führen. Richter unterhielt weitreichende Kontakte zu anderen Orden, aber auch Geldgebern, die Jonathan unbedingt benötigte. Doch solange Richter gegen Jonathans Pläne war, galt er nur als Hindernis.
„Richter hat deinen Cocktail wie erwartet nicht überlebt.“ Sein Vater musste seine Gedanken gelesen haben.
Jonathan nickte. Richter sollte diesen Prototypen des Serums nicht überleben, dafür hatten Jonathan und sein Verbindungsmann gesorgt.
„Du musst nach Rom. Nur die richtigen Aufzeichnungen dieses Alchemisten werden es dir ermöglichen, dieses Serum herzustellen.“
Die richtige Rezeptur würde ihm ganz andere Möglichkeiten eröffnen. Dann hatte er etwas in der Hand, um die Jäger zu locken. Zuvor aber musste er nach Wien reisen.
Er wollte seinem Informanten danken und ihm das Angebot unterbreiten, weiter für ihn zu arbeiten. Außerdem musste er Sophie Richter sehen, die Tochter des Ordensmeisters und Erbin des silbernen Harlekins, seinen Verbindungen und Geheimnissen. Man erzählte, sie sei sehr attraktiv und so war die Teilnahme an der Beerdigung der nächste logische Schritt in seinem Plan.
Es war nach Mitternacht, als Sophie den Schwarzen Topf verließ.
Nachdem weder Dominik noch Sophie ohne Wilhelms Hilfe sagen konnten, was wirklich passiert war, mussten sie den Obduktionsbericht abwarten und hoffen, dass Wilhelm auftauchte. Dominik hatte ihr versprochen, zwischenzeitlich nach der Kamera zu suchen.
Erst als sie in die kalte Nachtluft hinaustrat, merkte sie, wie stickig es in der Gaststube war. Ihre Kleider und Haare rochen nach Rauch und Alkohol. Auf dem Weg zum Auto warf sie einen Blick auf ihr Handy, fand jedoch keine Nachricht von Kommissar Vermont. Natürlich hatte er sich noch nicht gemeldet. Verdammt, es würde wahrscheinlich Tage dauern, bis sie Antwort von der Gerichtsmedizin bekam, dabei hielt sie die Ungewissheit schon jetzt kaum aus.
Statt eines Anrufs wartete erneut eine SMS von Dora und Meike darauf, gelesen zu werden. Die beiden wünschten ihr nach ihrer Absage noch einen schönen Abend, und falls sie noch Lust habe, seien sie in ihrem Stammclub zu finden. Nein, darauf hatte sie keine Lust. Sie wollte heim in ihre Studiowohnung und versuchen, ein paar Stunden zu schlafen, und wenn sie kein Auge zubrachte, wollte sie sich wenigstens unter ihrer Decke verkriechen, in der Hoffnung, dass dieser Tag sich als ein böser Albtraum herausstellte.
Sie umging die Nähe des Tatorts in weitem Bogen. Bis auf einige Nachtschwärmer, die ihr pfeifend und grölend Komplimente hinterherwarfen, waren die Straßen menschenleer.
Jetzt, wo sie wieder allein war, brachen die Bilder ihres toten Vaters über sie herein. In Dominiks Gegenwart war es einfacher gewesen, damit umzugehen. Doch nun sah sie ihn in Gedanken vor sich, wie er am Boden lag und die beiden Männer ihn wie eine Puppe in den Sarg legten. Oh, Gott, sie machte sich Vorwürfe. Ihr Vater hatte sie überraschen wollen. Auf seine eigene, brutale und groteske Art, aber er hatte es für sie tun wollen. Hatte ihr Egoismus ihn angetrieben, nach dem Mörder ihrer Mutter zu suchen? Sie
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