Blutjägerin (German Edition)
hingen die schwarze Lederhose, das weiße, altmodische Hemd und das mit Stickereien verzierte schwarze Top. Ein Mantel aus demselben schwarzen Leder und ein Gürtel, an dem eine Scheide befestigt war. Darin steckte ein Dolch. Das Halfter für die Schusswaffe war leer.
Als Vater ihr die Montur geschenkt hatte, glänzten seine Augen vor Stolz. Sie hasste ihn dafür. Damals zweifelte sie nicht daran, dass er davon träumte, sie würde irgendwann seinen Platz einnehmen.
Seit dem Gespräch mit Herrn Julius wusste Sophie, sie hatte sich geirrt. Zwar hatte er damit auch ihre Selbstvorwürfe entkräftet, zugleich aber auch die ersten Zweifel hervorgerufen, ob ihr Lebenswandel der Weg war, den zu gehen sie sich immer gewünscht hatte. Der nicht nur jugendlichem Trotz entsprungen. Sie dachte an das seltsame Gefühl, heimgekommen zu sein. Nie zuvor hatte sie Ähnliches für diese Räume verspürt.
Jetzt, da sie die Ermordung ihres Vaters mit eigenen Augen gesehen hatte, konnte sie nicht einfach in ihr altes Leben zurückkehren. So tun, als sei nichts geschehen, als gäbe es keine Vampire, die mordend durch die Straßen Wiens zogen. Hatte sie nicht die Pflicht, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten?
Als sie erwachte, erahnte sie anhand des tosenden Lärms, dass es Tag war. Über ihr donnerte die U-Bahn nahe dem Hauptquartier vorbei. Sie stieg aus dem Bett. Ihr Rücken schmerzte und in ihrem Kopf hämmerte es gegen die Schläfen.
Als sie zurück in den Saal ging, waren Dominik und Wilhelm verschwunden. Zuerst dachte sie, die beiden hätten sich in ihre Kammern zurückgezogen, doch die Türen standen offen und der Blick auf die Betten offenbarte das Gegenteil.
An der Bar schaltete sie die Kaffeemaschine ein, schüttete die letzten Bohnen aus einer zerknautschten Packung in den Mahltrichter.
Der Kaffee schmeckte, wie die Packung aussah. Sophie trank ihn dennoch, schwarz und ohne Zucker. Die Bar wirkte verwahrlost. Den Kühlschrank öffnete sie nur für eine Sekunde, denn der Gestank, der daraus entwich, nahm ihr die Luft zum Atmen. Nicht anders erging es ihr mit den Vorratsschränken, in denen früher immer Knabbergebäck und Naschzeug gelegen hatten.
Sie blieb bei Kaffee, würgte ihn in kleinen Schlucken hinunter. Dabei fiel ihr Blick auf den DVD-Player. Die Lade stand offen und die DVD war verschwunden. Sie suchte alles ab. Wilhelm musste sie wieder mitgenommen haben. Die Kunststoffhülle hatte er liegen lassen.
Sie ärgerte sich und würde Wilhelm darauf ansprechen. Wenn er nicht mehr auftauchte, musste sie Herrn Julius bitten, ihr zu helfen.
Nach dem Kaffeefrühstück nutzte sie die Zeit für eine Katzenwäsche im Waschraum. Obwohl sie die Nacht in ihrer Kleidung geschlafen hatte und sich schmuddelig fühlte, sah sie davon ab, sich in dem verdreckten Raum eine Fußpilzinfektion zu holen. Für ihren nächsten Besuch im Quartier nahm sie sich vor, Putzzeug mitzunehmen, um die Räume wieder bewohnbar zu machen. Sie war nicht pingelig, aber dieses Chaos hier war zu viel. Sie wunderte sich, dass ihr Vater das Quartier nicht besser gepflegt hatte. In ihrer Erinnerung war er ein Reinheitsfanatiker gewesen, bei dem alles seine Ordnung und seinen Platz hatte.
Sie nahm sich die Zeit, die restlichen Räume des Quartiers zu begutachten. Die Waffenkammer war gut bestückt und ausgestattet mit diversen Schränken, einem Laborbereich mit Reagenzgläsern, in denen die diversen Säuren für die Füllungen der Waffen lagerten.
Ein Raum war zu einem massiven Kerker mit stahlvertäfelten Wänden, codierten Spezialschlössern und verglastem Beobachtungsbereich umgebaut, der selbst den mächtigsten Vampir im Zaum hielt. Wozu dieser Raum gut war, konnte sie sich nicht erklären, da ein Jäger einen Vampir für gewöhnlich tötete und nicht gefangen nahm.
Abschließend wagte sie einen erneuten Blick in die Räume von Dominik und Wilhelm. Letzterer war penibel aufgeräumt, mit einer einzigen, störenden Ausnahme. Auf dem Schreibtisch lag ein abgerissenes Stück Papier, das so sehr aus der Ordnung des Raumes stach, dass es ihre Neugierde weckte. Es war nicht ihre Art, in fremden Sachen herumzustöbern, dennoch warf sie einen Blick auf den Tisch. Auf dem Papier stand eine unleserliche Notiz, darunter der Name Jonathan und eine Telefonnummer. Was hatte Wilhelm mit diesem Jonathan zu schaffen?
Sie ließ das Stück Papier auf dem Tisch liegen. Die Nummer des venezianischen Jägers hatte sie ohnehin in Form einer schlecht gemachten
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