Blutjägerin (German Edition)
ihren tödlichen Inhalt frei. Linus Leclerc wankte, während die Säure seinen Rücken zerfraß.
„Meine Frau starb vor zehn Jahren auf der Bühne des Burgtheaters, von dir ermordet, Leclerc.“
Der Vampir schien nicht mehr zu hören, was ihr Vater sagte. Er taumelte noch wenige Schritte, dann kippte er nach vorn und schlug auf dem Asphalt auf.
Vater sank erschöpft zusammen. Seine Anspannung schien von ihm abzufallen. Mein Gott, als ob die Lebensgeister ihn verlassen hätten, jetzt, da er seine Frau gerächt hatte. Hatte sie seine Liebe zu Mama unterschätzt? Konnten die Liebe und der Trieb nach Rache so etwas in einem Menschen auslösen? Sie glaubte, ihren Vater gekannt zu haben, aber nun sah sie ihn in einem völlig anderen Licht. Er war kein Verrückter, der abends in ein Kostüm kletterte, sondern das, was er ihr sein ganzes Leben lang versucht hatte, zu erklären. Ein Jäger, der nach dem jagte, woran die meisten Menschen nicht mehr glaubten.
Es blieb keine Zeit, nachzudenken, denn nun erschien ein weiterer Mann, groß, mit kahl geschorenem Kopf. Sie erschrak, als sie das Gesicht erkannte. Es war einer der Männer, die an jenem Abend am Tatort waren. Ihr Vater wankte plötzlich. Das Glänzen auf seiner Stirn deutete sie als Schweiß. Er atmete schwer und bewegte sich nicht von der Stelle.
„Bleib, wo du bist, Richter“, rief ihm der Neuankömmling zu.
Er hob die Hand, bedeutete ihrem Vater, sich nicht zu bewegen. Im Hintergrund ertönten Sirenen. Er ging auf die Leiche des Vampirs zu, schüttelte den Kopf und blickte anschließend über die Schulter.
„Die Arbeit eines Meisters, wie man sieht.“
Ihr Vater hob die Pistole.
„Lass das“, sagte der Fremde in scharfem Ton.
Er senkte seine Hand und Sophie erkannte nicht, was geschehen war. Von einer Sekunde auf die nächste sackte ihr Vater zusammen.
An dieser Stelle verschwamm die Aufnahme zu einem Rauschen und dem Geheul verzerrter Stimmen. Das Batteriesymbol blinkte und schließlich erlosch das Bild.
Stille legte sich über den Raum. Schließlich musste sie irgendetwas tun, also stand sie auf und schaltete das Video erneut ein.Sie konnte sich weder erklären, warum ihr Vater solche Bewegungen vollführte noch was in dem Moment geschehen war, als dieser Mann erschien. Wer war er wirklich und in welcher Beziehung stand er zu Gerald? Sie suchte im Blick der beiden Jäger nach einer Antwort oder irgendeinem Zeichen. Dominik wich ihr aus, trank sein Bier, während Wilhelm durch sie hindurchstarrte.
Sie beschloss, das Video ein drittes Mal anzuschauen und stoppte an der Stelle des Kampfes, als ihr Vater zusammengebrochen war. Doch sie erkannte beim besten Willen nichts. Ein Gefühl sagte ihr, dass ihr Vater nicht an Herzversagen gestorben war. Furchtbare Wut überkam sie. Eine Wut auf sich, dass sie die Todesursache einfach so hingenommen hatte. Doch verdammt, woher sollte sie es auch wissen und was hätte sie zum Zeitpunkt des Anrufs schon sagen sollen. Nein, sie liegen falsch, mein Vater wurde ermordet? War das tatsächlich der Fall? Sie konnte es selbst nach dem dritten Durchlauf des Videos nicht sicher sagen. Nur dieser Glatzkopf wusste diese Frage zu beantworten. Er war der Letzte, der Vater lebendig gesehen hatte und seiner Handbewegung zufolge, die nach Telepathie oder einer Art Gedankenkontrolle ausgesehen hatte, war er kein Mensch.
Die Wut schlug in Schmerz um. Sie erinnerte sich, auf welch mysteriöse Weise sie ihre Mutter verloren hatte. Sie wollte nicht, dass auch der Tod ihres Vaters ungeklärt blieb, solange sie nicht zumindest alles versucht hatte, die Wahrheit herauszufinden. Sie war es ihm und sich schuldig und wusste, was zu tun war. Zuallererst musste sie an die Akten der Gerichtsmedizin kommen und dann verdammt noch mal diesen Glatzkopf finden.
Das alte, zu einem kolossalen Sitzungssaal umgebaute Pariser Kino, das dem Rat als Versammlungsort diente, war beinahe bis auf den letzten Platz gefüllt.
Fahles Licht hüllte den fensterlosen Raum ein. Hitze und der Geruch von Körperausdünstungen aufgrund schlechter Hygiene und dick aufgetragenem Parfüm lagen schwer in der Luft.
Gerald und André nahmen hinter einem langen Tisch auf der ehemaligen Theaterbühne Platz, an dem bereits die sechs restlichen Mitglieder des inneren Rates saßen. Lautes Stimmengewirr umgab sie.
Mathis Leclerc, der zu Geralds rechter Hand saß, begrüßte ihn mit verhaltenem Nicken. Der Franzose mit dem schwarzen Lockenhaar wirkte blass und
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