Blutjägerin (German Edition)
haben sich also den Unmut eines ganzen Clans zugezogen.“ Er schüttelte den Kopf. „Warum haben Sie nicht früher davon erzählt?“ Erneut blickte er zum brennenden Wrack.
„Wir sollten in ein Krankenhaus, um sie verarzten zu lassen“, schlug Sophie vor.
„Nicht nötig, es sind nur Kratzer und ich wohne nicht weit von hier. Ich werde die Strecke zu Fuß gehen.“ Er deutete in eine Richtung und tupfte mit einem Taschentuch über sein Gesicht. „Ich hoffe nur, das hier lockt keinen von denen an.“
„Dann begleite ich Sie. Vielleicht können Sie mir einen Wagen leihen.“
„Wenn Sie nichts dagegen haben, mit einem schwarz lackierten Kombi durch die Gegend zu fahren, gern“, antwortete er mit schelmischem Grinsen.
Ihr war nicht zum Lachen zumute. Wie schon nach dem Kampf auf dem Friedhof empfand sie nur Kälte. „Gewöhnt man sich irgendwann an das Töten?“, fragte sie.
Er zuckte mit den Schultern. „Jeder empfindet anders. Ich habe gelernt, mit dem Tod umzugehen, aber Freude am Töten von Vampiren hatte ich nie. Deshalb habe ich auch dem Orden den Rücken gekehrt.“
Mit „in der Nähe“ hatte Julius einen Fußmarsch von mehr als einer halben Stunde gemeint. Das Beerdigungsunternehmen lag auf einem großzügigen Grundstück, umschlossen von hohen und kunstvoll verzierten Mauern. Ein schmiedeeisernes Tor in Form ineinander verwobener Kreuze und Ranken bildete den einzigen Zugang zum Anwesen. Das Unternehmen war im Erdgeschoss des Geschäftshauses untergebracht, im Stockwerk darüber befand sich die Wohnung.
„Willkommen in meinem bescheidenen Reich“, sagte Julius, nachdem sie im Hinterhof ankamen, wo der Kundenparkplatz und die Lagerschuppen lagen und auch die beiden schwarzen Mercedes Kombi im modischen Friedhofsdesign parkten.
„Und Sie brauchen wirklich keine Hilfe?“, fragte sie ihn erneut, als sie in den Wagen stieg und sein blasses Gesicht betrachtete.
Er schüttelte den Kopf. „Ich bin zäh.“
„Wie Sie meinen.“ Er sah nicht gut aus. Aber sie konnte ihm ihre Hilfe nicht aufzwingen. Schließlich startete sie den Motor und machte sich auf den Weg nach Hause.
Um kein unnötiges Aufsehen zu erregen, parkte sie den Leichenwagen abseits des Wohnblocks und ging das letzte Stück zu Fuß. Müde und durchgefroren erreichte sie endlich ihre Wohnung. Auf dem Weg zum Beerdigungsinstitut hatte sie aus Sorge um Julius sich selbst vergessen. Der Unfall war auch an ihr nicht spurlos vorbeigegangen. Zwar war sie mit leichten Prellungen und einigen blauen Flecken davongekommen, diese schmerzten aber heftig.
Sie zog saubere Kleidung an und schaltete das Radio ein, aus Neugierde, ob es auch dieses Mal gelungen war, die Wahrheit über den Unfall zu vertuschen. Die Nachrichten berichteten lediglich von einem Taxiunfall in der Innenstadt. Der Fahrer sei ums Leben gekommen und bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Kein Wort von einem Vampir oder Fahrgästen, die zu Fuß geflohen waren. Das war doch zum Verrücktwerden! War die Welt, die sie bisher kannte, nur eine Fassade?
Es war an der Zeit, tiefer zu graben.
Sophie startete den Computer und bereitete sich einen Kaffee. Es musste im modernen Zeitalter der Informationstechnologie möglich sein, wenigstens Hinweise zu finden. Bei Gott, sie konnten ja nicht unsichtbar sein. Sie wusste praktisch alles über Vampire, um Mythos und Wahrheit unterscheiden zu können. Warum also hielt sie sich mit der Fassade auf? Indem sie das Wort Vampir in diversen Suchmaschinen eintippte, würde sie bestimmt keine vernünftige Antwort bekommen. Sie musste tiefer gehen und wenn nötig über Wege, die nicht legal und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren.
Sophie nahm das Kuvert mit dem offiziellen Obduktionsbericht in die Hand. Es tat immer noch weh, aber sie musste nun versuchen, den Schmerz zu verdrängen, damit sie klar denken konnte. Sie prüfte den Umschlag und den Poststempel und verglich diesen mit Daten, die sie aus dem Internet bezog. Alles war korrekt, selbst die Postleitzahl. Wer immer sich hinter dem Namen Doktor Roth verbarg, musste diesen Brief in den Postversand der Gerichtsmedizin geschmuggelt haben.
Okay, das war ein Anhaltspunkt, mehr aber auch nicht. Es grenzte den Kreis der Verdächtigen nicht ein und war nur ein weiterer Teil der Fassade. Sie musste den Putz abkratzen, um an das Mauerwerk zu gelangen. Ihr kam eine Idee. Vielleicht war der Brief auf einem Computer der Gerichtsmedizin getippt worden. Der nicht handschriftliche Teil ließ
Weitere Kostenlose Bücher