Blutjägerin (German Edition)
hatte versucht, sie anzurufen, doch sie war ebenso wie sein Bruder spurlos verschwunden.
Er war halb wahnsinnig vor Sorge und jeder Quadratzentimeter seiner Haut brannte wie Feuer, als er in das Hauptquartier der Agentur zurückkam. Erschöpft kroch er aus dem Auto, schleppte sich durch den Tunnel zu seinem Quartier. Zwei der neuen Agenten, die gerade mit Alexandre Montiel vom Training kamen, betrachteten ihn fragend. Alexandre kam herbeigeeilt, Gerald zu stützen.
„Mein Gott, wo warst du, ist was geschehen? Brauchst du Hilfe?“
„Danke, ich komme zurecht. Ich brauche nur Blut und Ruhe. Zu viel Tageslicht. Ich habe Clement gesucht. Er ist nicht von seiner Erkundungstour zurückgekehrt.“ Er berichtete Alexandre in Kurzfassung, was geschehen war.
„In Ordnung, mach dir keine Sorgen, ruh dich aus. Ich kümmere mich inzwischen um alles und schicke Dave und Slatko, nach Clement zu suchen, wenn du es erlaubst.“
„Das wäre eine Hilfe.“ Damit setzte Gerald den Weg zu seinem geräumigen Ruhezimmer fort. Er schloss die Tür, fiel gegen die schalldichte Wand und atmete tief durch. Dieses Mal hatte er zu sehr mit dem Feuer gespielt. Er betrachtete sein Gesicht ihm Spiegel. Die Haut war dunkelrot und warf an einigen Stellen Blasen.
Ohne zu zögern, riss er die beheizte Minibar auf und trank drei Konserven Blut mit einem Zug. Dann stieg er unter die eiskalte Dusche, um seine Haut zu kühlen. Es dämpfte den Schmerz, aber die Ruhe des Zimmers und die Entspannung des Wassers ließen die Erschöpfung noch mehr über ihn hereinbrechen. Als er das Badezimmer verließ, musste er sich erst einmal aufs Bett setzen. Der Raum begann, sich zu drehen und Übelkeit erfasste ihn. Als er die Augen schloss, hatte er das Gefühl, zu fallen, sah Clements Gesicht vor sich, dann erschien Romains, und schließlich starrte er auf die niedergebrannte Ruine eines Schlosses. Der Anblick des Gebäudes zog ihn tiefer in seine Erinnerung, ließ ihn durch einen Tunnel aus Bildern fallen.
Es war dunkel. Er hörte Knacken und Knistern und roch den beißenden Gestank von verbranntem Holz.
Er riss die Augen auf. Das Zimmer war in dicke Wolken aus grauem Rauch gehüllt. Hustend richtete er sich auf. Der Rauch brannte wie Feuer in seinen Augen. Alles drehte sich. Stolpernd kam er auf die Beine, tastete sich durch den Raum zum Fenster. Der dünne, weiße Lichtstreifen zwischen den Fensterläden ließ erahnen, dass es Tag sein musste. Er mied es, das Fenster zu öffnen, wollte das Feuer nicht durch den Luftzug nähren.
Jemand riss die Tür auf. „Gerald … bist du wach?“ Romain rannte in den Raum.
„Ja.“
„Komm, wir müssen raus hier!“ Sein Bruder packte Geralds Arm und zerrte ihn auf den Gang. Lodernde Flammen versperrten eine Seite des Ganges. „Der Westflügel steht komplett in Flammen.“
„Was ist geschehen?“ Gerald war noch immer verwirrt. Die jähe Rückkehr aus dem Vampirschlaf lähmte seinen Gedankenfluss.
„Jäger, sie überfallen das Schloss.“
Schüsse krachten und Scheiben barsten. Gerald blickte über die Schulter in die Flammen. Die Erkenntnis lähmte ihn. Im Westflügel befanden sich etliche Zimmer und wem immer die Flucht nicht gelungen war, für den käme jede Hilfe zu spät.
Sie liefen die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Clement wartete mit fünf weiteren Mitgliedern seines Clans und inmitten der Vermonts sah er André Barov in voller Kampfmontur.
„Wo ist der Rest?“, fragte Gerald. „Wo sind Mutter und Vater?“
Clement senkte den Blick. „Eingeschlossen in den Flammen.“
Nein!
Gerald schaute hoch. Flammen peitschten nun aus beiden Flügeln des lang gezogenen Schlosses. Er hörte Schreie, die schnell verstummten. Ihm war, als würde ihm alle Luft genommen. Er wollte hinrennen, seine Eltern retten.
Eine Hand legte sich behutsam auf seine Schulter.
„Es hat keinen Sinn, Gerald. Wir müssen durch den Tunnel in die Stadt fliehen“, hörte er André sagen. „Es tut mir leid. Als ich von den Plänen der Jäger erfuhr und niemanden auf telephatischem Weg erreichte, bin ich die Nacht durchgeritten. Ich kam zu spät.“
Gerald schluckte schwer. Er fühlte sich von einer unsichtbaren Last erdrückt. Ein eisig prickelnder Strom lief durch seine Glieder, als sein Blick noch einmal auf die peitschenden Flammen fiel, die seine Familie verschlangen. Es erschien alles irreal, als schaue er durch die Augen eines Fremden und doch war es die Wirklichkeit.
„Du hast uns dennoch gewarnt, André. Und du
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