Blutjägerin (German Edition)
Vampir, sie musste vernünftig sein. Er war eine Bestie, ein Parasit und Blutsauger, nicht mehr und nicht weniger. Kein kultiviertes Wesen.
Und doch hatte er sich so benommen, als er sich vor sie gestellt hatte. Ihr war zum Schreien zumute. Himmel, es passte einfach nichts zusammen.
„Auch wenn du mir sowieso nicht glaubst, ich habe deinen Vater nicht getötet.“
„Lüge!“
„Natürlich.“ Er atmete scharf ein. „Wie ich schon sagte, es passt alles zusammen. Aber nur zu, ich fürchte den Tod nicht.“
„Verdammt noch mal.“ Ihr riss endgültig der Geduldsfaden. Sie sprang auf, trat nach dem Hocker, der quer durch den Raum flog. „Schluss mit diesem Sarkasmus, ich will die Wahrheit und ich weiß, dass mein Vater nicht an Herzversagen gestorben ist.“
„Okay.“ Er schloss die Augen, als wolle er gedanklich diesem Raum entfliehen. Erneut zerrte er an den Fesseln, ehe er sich tief atmend wieder entspannte und das Gesicht in ihre Richtung drehte. „Soll ich dir sagen, was wirklich passiert ist?“
Sie hob lediglich eine Augenbraue, hatte die Spielchen satt. Sie griff nach dem Hocker, setzte sich wieder, um auf Augenhöhe mit ihm zu sein.
„Auch wenn du es nicht glauben wirst, er wurde vergiftet.“
„Vergiftet? Womit?“
Er schüttelte den Kopf. „Ich bin kein Mediziner, kann es nicht genau erklären. Aber sein Blut enthielt Spuren der DNS eines Assassinen. Du weißt, was ein Assassine ist?“
„Ja.“ Vater hatte ihr von diesen Wesen erzählt. Assassinen waren mutierte Kreaturen, der Ursprung aller Horrorgeschichten über Vampire und Werwölfe. Selbst hatte sie noch nie einen zu Gesicht bekommen.
„Diese DNS hat ihn verändert, ihn für wenige Stunden körperlich gestärkt. Doch letztendlich wurde er, sagen wir, von innenaufgefressen und getötet“, erklärte er. „Das geschah in dem Moment, als ich erschien.“
Mein Gott, der Kerl schien die Wahrheit zu sagen. Auf dem Video hatte Vater in der Tat übernatürlich schnelle Bewegungen ausgeführt, mit denen er dem Angreifer ausgewichen war. Doch wer sollte ihm die DNS verabreicht haben und vor allem, wie? Sie musste unbedingt dieses Video noch einmal ansehen, den Moment des Kampfes.
Sie wandte sich zum Gehen.
„Hey, Lady! Bindest du mich wenigstens los?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein. So leid es mir tut. Ich kann dir nicht vertrauen. Noch nicht.“
Gerald hatte den Tag in seiner Unterkunft verbracht und war erneut in tiefen Schlaf verfallen. Die körperlichen Anstrengungen forderten ihren Preis. Er war bei Sonnenuntergang erwacht und quälte sich noch immer erschöpft aus dem Bett. Er trank eine Konserve und schlüpfte nach einer ausgiebigen Dusche in einen frischen Anzug. Seine Haut glänzte rot und verriet die Überdosis Tageslicht.
Als er zu den Büros zurückkehrte, erwartete ihn Alexandre bereits. Der erfahrene Agent hatte inzwischen glänzende Arbeit geleistet.
„Während du geschlafen hast, sind Meldungen und Berichte von unseren Agenten eingegangen“, sagte er, als Gerald den Raum betrat. „Die freie Liga ist in London und Paris aktiv geworden.“ Alexandre legte die ausgedruckten Berichte auf Geralds Schreibtisch.
„Hast du die beiden Neuen losgeschickt?“
„Sie sind auf dem Weg, Clement zu suchen.“
„Ich danke dir, Alexandre. Könntest du bitte weiter die Stellung halten? Ich möchte André einen Besuch abstatten.“
Nachdem er mit Barov über den Zustand des Clans gesprochen hatte, würde er sich wieder auf die Suche begeben.
„Du kannst auf mich zählen.“
Nicht umsonst gehörte Alexandre zu den Anwärtern, die seinen Platz einnehmen sollten, falls ihm etwas zustoßen oder er das Handtuch werfen sollte. So war es mit dem Rat vereinbart. Einst hatte Alexandre, ein Muskelpaket mit langen blonden Haaren, im Kriegerorden gedient und war mit Gründung des Rates zur Agentur gekommen.
„Was geschieht mit den gefangenen Morati in den Zellen?“
„Die bleiben, wo sie sind“, sagte Gerald. „Der Rat kann im Moment nicht über sie bestimmen, und wenn wir sie freilassen, riskieren wir einen Krieg, bevor die Agentur stark genug ist.“
„Wenn es darum geht, zu kämpfen, bin ich dabei.“ Alexandre grinste breit, klopfte sich auf die Brust. „Dann können wir endlich diese Anzüge ablegen und anständige Kleidung tragen.“
Gerald zwang sich zu einem Lächeln „Ich werde nicht vor Mitternacht zurück sein.“
André Barovs Penthouse, das im Zentrum Wiens unweit des Stephansdoms lag, hatte sich
Weitere Kostenlose Bücher