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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Schiefes Gekicher durchdrang die raue Nacht, und lautes Stöhnen, das Freude oder Entsetzen ausdrücken mochte, die Rufe der Pfandleiher und das Schnauben des Viehs, das Knarren ausgeleierter Bettgestelle und das Quietschen kaputter Geigen. All das verband sich zu einer verzweifelten Musik, bei der keine zwei Takte gleich klangen und die durch schlecht schließende Türen und Fenster in die Nacht hinausdrang, wobei sich das brüllende Gelächter über einen Witz oder ein gutes Ergebnis des Glücksrads kaum vom Wutgebrüll über eine Beleidigung oder ein schlechtes Blatt beim Kartenspiel unterschied.
    »Gütiger Himmel«, raunte Majud, der sich einen Ärmel vor das Gesicht hielt, um dem herumwabernden Gestank zu entgehen.
    »Das reicht wohl, um einen Mann an Gott glauben zu lassen«, vermutete Tempel. »Und um ihn zu der Überzeugung gelangen zu lassen, dass Er sich woanders aufhält.«
    Ruinen ragten in der nassen Nacht auf. Säulen unmenschlicher Abmessungen erhoben sich turmhoch auf beiden Seiten der Hauptstraße, so dick, dass drei Männer sie nicht hätten umfassen können. Einige waren abgebrochen, andere in zehn Schritt Höhe gestutzt, und manche ragten noch so hoch auf, dass sich ihre Spitzen in der Dunkelheit über ihren Köpfen verloren. Der flackernde Fackelschein hob fleckige Schnitzereien, Buchstaben, Runen jahrhundertelang vergessener Schriften hervor, Gedenken an uralte Geschehnisse, Sieger und Verlierer, die schon vor tausend Jahren zu Staub geworden waren.
    »Wie war es denn früher hier?«, murmelte Scheu, die allein vom Emporsehen schon einen steifen Hals hatte.
    »Sauberer, könnte ich mir vorstellen«, sagte Lamm.
    Rund um die uralten Säulen waren Hütten aus dem Boden geschossen wie unordentliche Pilze aus toten Baumstämmen. Die Leute hatten wacklige Gerüste an ihnen errichtet, irgendwelche Vorrichtungen angebracht, Seile an den Spitzen befestigt und sogar Planken zwischen ihnen festgemacht, bis einige der alten Bauwerke ganz von schlechter Zimmermannskunst verdeckt worden waren und sich in Albtraumschiffe verwandelt hatten, die viele Tausend Meilen vom Meer entfernt gestrandet und mit Fackeln und Laternen und grellbunter Werbung für alle erdenklichen Laster geschmückt worden waren, wobei diese Konstrukte so wacklig waren, dass man sehen konnte, wie sich diese Bauten bewegten, wenn ein etwas stärkerer Wind blies.
    Die Überbleibsel des Trupps folgten dem Weg weiter in die Stadt hinein. Hier verbreiterte sich das Tal, und die Atmosphäre verdichtete sich, bis sie irgendwo zwischen Orgie, Aufruhr und dem Ausbruch einer Fieberseuche lag. Feiernde stürzten sich mit wilden Augen und offenen Mündern ins Gewühl, fest entschlossen, den Spaß eines ganzen Lebens in die kurze Zeit bis zum Sonnenaufgang zu stopfen, als ob es schon morgen keine Gewalt und keine Ausschweifungen mehr geben würde.
    Scheu hatte allerdings das Gefühl, von beidem würde noch mehr als genug da sein.
    »Das ist wie eine Schlacht«, brummte Savian.
    »Bei der es aber keine Seiten gibt«, ergänzte Corlin.
    »Oder Siege«, setzte Lamm hinzu.
    »Nur jede Menge Verlierer«, sagte Tempel.
    Überall wankten oder schlichen Menschen herum, humpelten oder drehten sich mit grotesken oder schlicht nur komischen Bewegungen, sinnlos betrunken, an Körper oder Geist verkrüppelt oder halb verrückt, nachdem sie lange Monate allein in den extremen Hochlagen geschürft hatten, wo Worte zur Erinnerung verkamen. Scheu manövrierte ihr Pferd um einen Mann herum, der ungehemmt vor sich hin pinkelte und sich dabei alles über die nackten Beine kleckerte, während ihm die Hosen im Dreck um die Knöchel hingen. Er hielt seinen Schwanz in einer schlenkernden Hand und schlabberte gleichzeitig aus einer Flasche, die er mit der anderen zum Mund geführt hatte.
    »Wo zur Hölle fängt man hier an?«, hörte Scheu Goldi ihren Luden fragen. Der wusste darauf keine Antwort.
    Die Konkurrenz war in der Tat Ehrfurcht gebietend. Es gab Frauen jeder Figur, jeder Farbe und jeden Alters, die sich in der kleidungslosen Landestracht von gut zwanzig verschiedenen Nationen räkelten und ganze Quadratmeilen nackter Haut präsentierten. Gänsehaut zumeist, da das Wetter doch reichlich kühl war. Einige stießen Lockrufe aus, lächelten affektiert oder warfen Kusshändchen, andere kreischten wenig überzeugende Versprechungen in die fackelerleuchtete Düsternis, was die Qualität ihrer Dienste betraf, wieder andere wurden sogar noch deutlicher und machten

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