Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
Vom Netzwerk:
seine wahre Natur, die wieder zum Vorschein gekommen war.
    Ein paar Schläger mit stahlharten Augen blockierten den Fuß der Treppe, aber Süß rief: »Hochwürden möchte diese beiden hier kennenlernen!« Er drängte sich mit allerlei Schmeicheleien an ihnen vorbei und führte Lamm und Scheu über einen Balkon, der auf das Treiben in der Halle hinuntersah, zu einer schweren Tür, die von zwei weiteren harten Kerlen flankiert wurde.
    »Da wären wir«, sagte Süß und klopfte.
    Von drinnen erklang die Stimme einer Frau. »Willkommen in Knick«, sagte sie.
    Sie trug ein schwarzes Kleid, dessen Stoff leicht schimmerte, mit langen Ärmeln und hochgeschlossen. Sie mochte auf die fünfzig zugehen, vermutete Scheu, und ihr Haar zeigte graue Strähnen. Zu ihrer Zeit war sie aber sicherlich eine Schönheit gewesen, und diese Zeit war noch nicht ganz vorbei. Sie nahm Scheus Hand mit ihrer Linken, legte die Rechte darüber und sagte: »Sie sind sicher Scheu. Und Sie sind Lamm.« Damit fasste sie ebenso nach Lamms wettergegerbter Pranke, und er bedankte sich zu spät und mit krächzender Stimme; nachträglich nahm er dann noch den ausgeblichenen Hut ab, und das wenige Haar, das längst schon wieder einmal hätte geschnitten werden müssen, stand in alle Richtungen ab.
    Aber die Frau lächelte, als sei sie noch nie so galant begrüßt worden. Sie schloss die Tür, die sich mit einem soliden Klicken in den Rahmen fügte und das wilde Toben draußen ausschloss, und alles wurde ruhig und angenehm. »Setzen Sie sich doch. Meister Süß hat mir von Ihren Sorgen berichtet. Von Ihren geraubten Kindern. Eine schlimme Sache.« Und ihr Gesicht zeigte so viel Schmerz, als seien es ihre eigenen Kinder, die verschwunden waren.
    »Joh«, murmelte Scheu, die nicht wusste, wie sie mit so viel Mitgefühl umgehen sollte.
    »Möchte vielleicht jemand etwas trinken?« Sie goss vier ordentlich große Gläser Schnaps ein, ohne eine Antwort abzuwarten. »Bitte entschuldigen Sie, wie es hier aussieht. In dieser Gegend gute Möbel aufzutreiben, das ist immer wieder ein Kampf, wie Sie sich sicher denken können.«
    »Das ist schon in Ordnung«, sagte Scheu, obwohl es der wohl bequemste Sessel war, auf dem sie je Platz genommen hatte, und davon abgesehen auch der vermutlich schönste Raum, mit kantesischen Vorhängen vor den Fenstern, Kerzen in Lampen aus farbigem Glas und einem großen Schreibtisch mit schwarzlederner Auflage, auf der lediglich ein paar Flaschen helle Ringe hinterlassen hatten.
    Sie hatte ziemlich feine Manieren, diese Frau, dachte Scheu, als ihre Gastgeberin ihnen die Gläser reichte. Nicht diese hochmütige, herablassende Art, mit der sich Idioten von der Masse abzuheben glauben. Sondern diese Art, die anderen das Gefühl gab, etwas wert zu sein, auch wenn man hundemüde und verdreckt war, eine Hose mit fast völlig durchgescheuertem Hintern trug und man nicht einmal selbst sagen konnte, wie viele Hundert Meilen staubiger Ebene man seit dem letzten Bad durchquert hatte.
    Scheu nahm einen Schluck und merkte gleich, dass dieses Getränk von seiner Qualität her eine ganz andere Klasse hatte als sie selbst, ebenso wie alles andere hier. Sie räusperte sich und sagte: »Wir hatten gehofft, Hochwürden anzutreffen.«
    Die Frau lehnte sich gegen die Schreibtischkante – Scheu hatte das Gefühl, sie hätte auch dann völlig entspannt gewirkt, wenn es sich dabei um ein offenes Rasiermesser gehandelt hätte – und sagte: »Das tun Sie.«
    »Was tun wir?«
    »Sie treffen sie an.«
    Lamm rutschte auf seinem Sessel herum, als sei der viel zu gemütlich, um es sich darauf wirklich bequem zu machen.
    »Sie sind eine Frau?«, fragte Scheu, deren Kopf von dem höllischen Gewühl draußen und der ruhigen Sauberkeit hier drinnen noch ganz durcheinander war.
    Hochwürden lächelte. Das tat sie oft, aber irgendwie bekam man nie genug davon. »Auf der anderen Straßenseite haben sie ein paar andere Namen für mich, aber ja, ich bin eine Frau.« Sie kippte den Schnaps mit einer Bewegung runter, die erkennen ließ, dass es nicht ihr erster war, nicht der letzte sein würde und beides sowieso keine Rolle spielte. »Süß sagte mir, Sie suchen jemanden.«
    »Einen Kerl, der Grega Cantliss heißt«, sagte Scheu.
    »Den kenne ich. Ein widerlicher Stutzer. Er stiehlt und mordet für Papa Ring.«
    »Wo können wir ihn finden?«, fragte Lamm.
    »Wenn ich recht weiß, ist er nicht in der Stadt. Aber ich gehe davon aus, dass er schon bald zurückkehren

Weitere Kostenlose Bücher