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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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wünscht, ist es aber nicht so.« Scheu glitt von ihrem Stuhl und musste erst einmal einem dicken, kahlen Kerl ausweichen, der beim Erzählen seine Gabel in alle Richtungen schwenkte.
    »… es kommen ja immer noch ein paar hinzu, aber weniger, als wir gehofft haben. Man kann auch nie wissen, wie viele noch dazustoßen werden. So wie sich’s anhört, war es schlimm in Mulkova …« Savian unterbrach sich, als er Scheu kommen sah. Zwischen ihm und Corlin hatte sich ein Fremder noch tiefer in die Schatten unter dem Fenster gedrängt, dessen Vorhänge geschlossen waren.
    »Corlin«, sagte Scheu.
    »Scheu«, erwiderte Corlin.
    »Savian«, sagte Scheu.
    Er nickte nur.
    »Ich dachte, ihr beide wolltet raus und schürfen?«
    »Das haben wir noch eine Weile aufgeschoben.« Corlin hielt Scheus Blick die ganze Zeit über stand. »Vielleicht gehen wir in einer Woche. vielleicht auch später.«
    »Es kommen jede Menge andere Leute hier an, die den gleichen Gedanken haben. Wenn ihr nicht nur bloßen Dreck für euch beanspruchen wollt, dann solltet ihr euch besser in die Berge aufmachen.«
    »Die Berge stehen hier, seit der große Euz die Teufel aus der Welt vertrieb«, sagte der Fremde. »Ich wage die Voraussage, dass sie nächste Woche auch noch da sein werden.« Er sah seltsam aus, hatte hervorquellende Augen, einen langen, verfilzten grauen Bart und Haare und Augenbrauen, die kaum kürzer waren. Noch seltsamer war, dass er, wie Scheu nun entdeckte, zwei kleine Vögel bei sich hatte, zahm wie Hündchen, die Körner von seiner Handfläche pickten.
    »Und wer sind Sie?«, fragte Scheu.
    »Ich heiße Zacharus.«
    »Wie der Magus?«
    »Genau so.«
    Es war ein bisschen blödsinnig, den Namen eines legendären Zauberers anzunehmen, aber dasselbe hätte man vermutlich darüber sagen können, wenn man eine Frau nach einer Eigenschaft benannte, die im Kontakt mit anderen eine gewisse Beeinträchtigung darstellte. »Scheu Süd.« Sie griff nach seiner Hand. Ein noch kleinerer Vogel hüpfte aus seinem Ärmel und pickte nach ihrem Finger, und sie erschreckte sich so, dass sie hastig die Hand zurückzog. »Und, äh, das da drüben ist Lamm. Wir sind von Naheland aus mit den beiden in einem Trupp hierher marschiert. Haben uns mit Geistern rumgeschlagen und mit Stürmen und Flüssen und jeder Menge Langeweile. Das waren Zeiten, was?«
    »Fantastisch«, sagte Corlin, deren Augen zu blauen Schlitzen geworden waren. Scheu bekam das unbestimmte Gefühl, dass die beiden sie unbedingt loswerden wollten, deshalb ließ sie genau das bleiben. »Und in welchen Angelegenheiten sind Sie unterwegs, Meister Zacharus?«
    »Ich beschäftige mich mit dem Wandel der Zeiten.« Er hatte einen leichten Kaiserreichsakzent, aber er klang komisch, knisterte wie altes Papier. »Mit den Strömen des Schicksals. Mit dem Aufstieg und Fall von Nationen.«
    »Kann man gut davon leben?«
    Er zeigte ein leicht verrücktes Lächeln aus vielen scharfen gelben Zähnen. »Es gibt kein schlechtes Leben und keinen guten Tod.«
    »Da haben Sie recht. Was sind das für Vögel?«
    »Sie versorgen mich mit Nachrichten, leisten mir Gesellschaft, singen mir vor, wenn ich schwermütig werde. Außerdem bringen sie mir Nistmaterial.«
    »Sie haben ein Nest?«
    »Nein, habe ich nicht, aber sie meinen, ich sollte eins haben.«
    »Natürlich.« Der Alte war verrückt wie ein Märzhase, aber sie bezweifelte, dass knallharte Leute wie Corlin und Savian sich mit ihm abgeben würden, wenn weiter nichts an ihm dran gewesen wäre. Es war etwas Abstoßendes an der Art und Weise, wie diese Vögel sie anstarrten, die Köpfe zur Seite geneigt, ohne zu blinzeln. Als ob sie Scheu für eine komplette Idiotin hielten.
    Der alte Mann teilte ihre Meinung vermutlich, überlegte Scheu, als er fragte: »Was bringt Sie hierher, Scheu Süd?«
    »Ich suche nach zwei Kindern, die von unserem Hof verschleppt wurden.«
    »Schon was rausgefunden?«, fragte Corlin.
    »Sechs Tage lang habe ich auf Hochwürdens Straßenseite jedes Paar Ohren befragt, aber Kinder gibt es hier oben nicht allzu viele, und niemand hat auch nur ein Haar von ihnen zu Gesicht bekommen. Oder falls doch, dann hat man es mir nicht gesagt. Wenn ich den Namen Grega Cantliss nenne, dann verstummen alle, als hätte ich einen Schweigebann ausgesprochen.«
    »So einen Schweigebann zu weben, das ist ein anspruchsvolles Tuch«, bemerkte Zacharus, der grimmig in eine leere Ecke sah. »So viele unbekannte Elemente.« Draußen war ein Flattern zu hören,

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