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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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und eine Taube steckte den Kopf durch die Vorhänge und stieß ein weiches Gurren aus. »Sie sagt, sie seien in den Bergen.«
    »Wer?«
    »Die Kinder. Aber Tauben lügen. Sie sagen einem nur, was man hören will.« Der Alte steckte nun die Zunge in die Körner auf seiner Handfläche und zerkaute sie knirschend mit den gelben Vorderzähnen.
    Scheu wollte ohnehin schon den Rückzug antreten, als Camling sie von hinten anrief. »Ihr Frühstück!«
    »Was meinst du, was haben die zwei vor?«, fragte Scheu, als sie wieder auf ihren Stuhl rutschte und ein paar Krümel wegfegte, die der Wirt übersehen hatte.
    »Gold suchen, habe ich gehört«, sagte Lamm.
    »Dann hast du mir überhaupt nicht zugehört, oder was?«
    »Ich versuche das zu vermeiden. Wenn sie unsere Hilfe wollen, dann werden sie schon fragen. Bis dahin geht uns das nichts an.«
    »Kannst du dir vorstellen, dass einer der beiden um Hilfe bittet?«
    »Nein«, sagte Lamm. »Und deswegen gehe ich mal davon aus, dass es uns nie etwas angehen wird, weißt du?«
    »Genau. Und deswegen will ich es herausfinden.«
    »Früher war ich auch mal neugierig. Ist lange her.«
    »Was ist geschehen?«
    Lamm deutete mit der fingerreduzierten Hand auf sein narbenbedecktes Gesicht.
    Das Frühstück bestand aus kalter Hafergrütze, glibberigem Ei und grauem Speck, wobei die Hafergrütze nicht besonders frisch war und der Speck möglicherweise nicht vom Schwein stammte. Die Kombination wurde Scheu auf importiertem Geschirr vorgesetzt, das mit vergoldeten Bäumen und Blumen verziert war, und Camling legte so viel schleimigen Stolz an den Tag, als gäbe es kaum ein besseres Essen im ganzen Weltenrund.
    »Ist das von einem Pferd?«, raunte sie Lamm fragend zu, stocherte an dem Fleisch herum und erwartete beinahe, der Speck würde sie gleich auffordern, damit aufzuhören.
    »Sei dankbar, wenn es nicht vom Reiter ist.«
    »Auf dem Weg hierher haben wir ja auch allen möglichen Scheiß gefressen, aber das war wenigstens ehrlicher Scheiß. Was zur Hölle ist das denn hier?«
    »Unehrlicher Scheiß?«
    »So ist das in Knick. Da kriegt man feine Suljukteller, aber das Essen darauf ist der reinste Dreck. Hier ist echt alles verkehrt rum …« Plötzlich merkte sie, dass das Gemurmel verstummt war und dass außer dem Kratzen ihrer Gabel alles still geworden war. Die Härchen in ihrem Nacken stellten sich auf, und sie drehte sich langsam um.
    Sechs Männer sorgten für neue Stiefelspuren auf dem schlammverdreckten Boden. Fünf davon waren die typischen Schläger, wie man sie in Knick oft sah, und sie nahmen so zwischen den Tischen Aufstellung, dass sie jeden Winkel gut im Blick behalten konnten, allesamt mit dieser hellwachen Lässigkeit, die deutlich sagen wollte, wir sind etwas Besseres, weil wir in der Überzahl sind und außerdem Waffen haben. Der sechste war von ganz anderer Art. Er war nicht groß, aber enorm breit und mit dicker Wampe; er trug einen Anzug aus feinem Tuch, dessen Knöpfe gewaltig spannten, als sei der Schneider beim Maßnehmen etwas zu optimistisch gewesen. Seine Haut war dunkel, und er hatte graues, wuscheliges Haar. Ein Ohrläppchen dehnte sich um einen dicken Goldring, dessen Loch in der Mitte so groß war, dass beinahe Scheus Faust hindurchgepasst hätte.
    Er machte den Eindruck, als sei er in unaussprechlichem Maße mit sich zufrieden, und er lächelte in jede Richtung, als sei alles so, wie er es gerne hatte. Scheu fand ihn sofort unsympathisch. Wahrscheinlich war sie eifersüchtig. Für sie schien die Welt um sie herum nie so zu sein, wie sie es gern gehabt hätte.
    »Keine Sorge«, dröhnte der Mann mit einer Stimme, die überbordend gute Laune verriet, »ihr könnt alle weiteressen! Wenn Ihr für den Rest des Tages Wasser scheißen wollt!« Damit brach er in Gelächter aus, klopfte einem seiner Männer auf den Rücken und schubste ihn dabei beinahe in das Frühstück eines verdatterten Gastes. Dann bahnte er sich den Weg durch den Raum, begrüßte einige Anwesende mit Namen, schüttelte Hände und klopfte auf Schultern, und sein langer Stock mit beinernem Griff klackerte dabei über die Dielenbretter.
    Scheu sah ihn kommen, lehnte sich ein wenig auf ihrem Stuhl zur Seite und öffnete den untersten Knopf ihrer Weste, damit der Griff ihres Messers schön deutlich zu sehen war. Lamm saß einfach nur da und aß, die Augen auf sein Essen gerichtet. Er sah nicht einmal auf, als der Dicke neben ihrem Tisch stehen blieb und erklärte: »Ich bin Papa Ring.«
    »So etwas

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