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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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für andere Dinge verschwendet hatten. Dieses ganze zähe Chaos hatte der Alte dabei mit einem Lächeln bedacht, als entspräche es genau dem Plan, den sie besprochen hatten, und ständig irgendwelche weit hergeholte Geschichten aus seiner ruhmreichen Vergangenheit zum Besten gegeben, damit sein idiotischer Biograf sie notierte. »Ich habe den Eindruck, als ob Reden und Handeln bei diesem Drecksack nichts mehr miteinander …«
    »Pssst«, zischte Lamm.
    Scheu duckte sich noch tiefer auf den Boden, als ein Grüppchen erzürnter Krähen mit schlagenden Flügeln aus dem Tal vor ihnen in den gefrorenen Himmel aufflog. Rufe trieben erstickt mit dem Wind heran, dann war das Klappern von Ausrüstung zu hören, schließlich kamen Reiter in Sicht. Zwanzig oder mehr ritten durch den Schnee, der sich im Tal gesammelt hatte, wirkten dabei mächtig entschlossen, wippten in den Sätteln auf und nieder und klopften ihren Reittieren auf die dampfenden Flanken, um sie weiter anzutreiben.
    »Der betrunkene Irre trägt seinen Teil bei«, raunte Lamm.
    »Ausnahmsweise.« Scheu war sich ziemlich sicher, dass Cosca das nicht zur Gewohnheit werden lassen würde.
    Die Söldner stiegen ab und schwärmten durch die Ansiedlung, machten sich an Türen und Fenstern zu schaffen, rissen Zelte auf, deren Leinwand hart gefroren war wie Holz, und machten dabei so viel Lärm und Geschrei, dass es in der Winterstille so laut widerhallte wie die große Schlacht am Ende aller Zeiten. Angesichts der Tatsache, dass dieser Abschaum auf ihrer Seite stand, fragte sich Scheu, ob sie sich für die richtige entschieden hatte, aber sie stand nun einmal dort, wo sie stand. Aus beschissenen Situationen verschiedenster Art irgendwie das Beste zu machen, das zog sich wie ein roter Faden durch ihr Leben.
    Lamm berührte ihren Arm, und sie folgte seinem Finger zu dem Versteck, erhaschte einen dunklen Schatten, der geduckt zwischen den Bäumen davoneilte und schnell im Gewirr von Ästen und Schatten verschwand.
    »Da geht der eine«, knurrte Süß, der seine Stimme nun nicht mehr so gesenkt hielt, da die Söldner ohnehin lautstark im Tal lärmten. »Mit ein bisschen Glück rennt er geradewegs zu ihren Verstecken. Direkt nach Aschrang, um dem Drachenvolk zu sagen, dass in Leuchtberg zwanzig Reiter eingetroffen sind.«
    »Starke schwach erscheinen zu lassen«, murmelte Lamm, »kann taktisch enorm von Vorteil sein.«
    »Was ist mit dem anderen?«, fragte Scheu.
    Weinender Fels steckte ihre Pfeife weg und zog ihre schnabelförmige Keule hervor, und das war eine so beredte Antwort, wie man sich nur hatte wünschen können. Sie glitt geschmeidiger als eine Schlange um den Baum, an dem sie eben noch gelehnt hatte, und ging in Deckung.
    »Ans Werk«, sagte Süß und schlängelte sich hinter ihr her, wesentlich schneller als Scheu ihn sich je zuvor hatte bewegen sehen. Sie sah den beiden alten Pfadfindern nach, wie sie sich vorsichtig einen Weg zwischen den schwarzen Baumstämmen suchten, durch den Schnee und die herabgefallenen Kiefernnadeln, und schließlich verschwanden.
    Ihr blieb nichts anderes übrig, als zitternd auf dem gefrorenen Boden neben Lamm zu verharren und weiter zu warten.
    Seit Knick war er dabei geblieben, sich den Kopf zu scheren, und es war, als hätte er sich mit seinem Haar auch aller Gefühle entledigt; die harten Züge und die harten Knochen und die harte Vergangenheit traten nun deutlich hervor. Die Fäden der Wundnähte hatten sie mit der Spitze von Savians Messer irgendwann gezogen, und die Spuren des Kampfs mit Glama Golding verblassten nun schnell und verwandelten sich in Narben, die sich zu den vielen anderen gesellten. Ein Leben voll Gewalt, das stand so deutlich in diesem zerschlagenen Amboss von einem Gesicht geschrieben, dass sie sich nicht erklären konnte, wieso sie das zuvor nie darin hatte lesen können.
    Kaum zu glauben, dass es früher so leicht gewesen war, mit ihm zu sprechen. Oder zumindest, ihm irgendwas zu sagen. Der gute, alte, feige Lamm, der nie anders reagierte als erwartet. So sicher und gefahrlos, als spräche man mit sich selbst. Jetzt tat sich mit jedem Tag eine breitere und gefährlichere Kluft zwischen ihnen auf. So viele Fragen schwirrten ihr durch den Kopf, aber jetzt, da sie endlich den Mund aufbekam, platzte sie als Erstes mit jener heraus, deren Antwort sie eigentlich kaum interessierte.
    »Hast du Hochwürden tatsächlich gefickt?«
    Lamm ließ so viel Zeit verstreichen, dass sie schließlich dachte, er würde sie

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