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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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aufstieg.
    Die Tür des Langhauses knarrte, als sie daran vorüberging, und hastig drückte sie sich an die zerklüftete Mauer und wartete. Durch das Fenster hörte sie die Stimmen der Altvorderen, die ihre Versammlung abhielten. Zwar war sie erst drei Monate hier, aber die Sprache hatte sie schon gelernt.
    »Die Schanka vermehren sich in den tiefer gelegenen Tunneln.« Utos Stimme. Sie riet stets zur Vorsicht.
    »Dann müssen wir sie dort heraustreiben.« Akosch. Sie war stets mutig.
    »Wenn wir dazu genug Leute hineinschicken, dann werden nur wenige hier zurückbleiben. Eines Tages werden Menschen von draußen kommen.«
    »Wir haben sie an diesem Ort, den sie Leuchtberg nennen, gründlich verschreckt.«
    »Oder nur neugierig gemacht.«
    »Wenn wir erst einmal den Drachen geweckt haben, spielt das keine Rolle mehr.«
    »Es fällt mir zu, die Entscheidung zu treffen.« Das war die tiefe Stimme von Waerdinur. »Der Schöpfer hat unsere Vorfahren hier nicht zurückgelassen, damit seine Werke verfallen. Wir müssen Mut beweisen. Akosch, du wirst mit dreihundert von uns nördlich an die tiefen Stellen ziehen und die Schanka dort heraustreiben, und dann wirst du über den Winter dort die Stellung halten. Sobald es taut, kehrt ihr zurück.«
    »Ich mache mir Sorgen«, sagte Uto. »Es gab Visionen.«
    »Du machst dir immer Sorgen …«
    Ihre Worte verstummten in der Nacht, als Ro vorüberschlich, über die großen Platten mattierter Bronze, auf denen in winzigen Zeichen unzählige Namen eingraviert worden waren, viele, viele Tausend, die bis in den Nebel der Zeiten zurückreichten. Sie wusste, dass Icaray in dieser Nacht Wache hatte, und ging davon aus, dass er betrunken sein würde, so wie immer. Er saß im Durchgang, sein Kopf sackte ein wenig zur Seite, den Speer hatte er gegen die Wand gelehnt, und zwischen seinen Füßen stand eine leere Flasche. Die Drachenleute waren auch nur Menschen wie alle anderen und hatten dieselben Schwächen.
    Ro sah sich noch einmal um und dachte, wie schön es war, die gelb erleuchteten Fenster in der schwarzen Felswand, die dunklen Schnitzereien, die sich auf den steilen Dächern vor dem sternübersäten Himmel abhoben. Aber es war eben nicht zuhause. Sie würde auch nicht zulassen, dass es das wurde. Verstohlen schlich sie an Icaray vorbei und die Treppe hinunter, ließ die Hand an dem warmen Fels auf ihrer Rechten entlanggleiten, weil sie wusste, dass auf der linken Seite ein hundert Schritt tiefer Abgrund gähnte.
    Sie kam zur Nadel und fand die verborgene Treppe, die sich steil in den Berg hineinbohrte. Eigentlich sah sie gar nicht verborgen aus, aber Waerdinur hatte ihr erklärt, dass sie verzaubert war und dass niemand sie sehen konnte, dem sie vorher nicht gezeigt worden war. Scheu hatte ihr immer gesagt, dass es so etwas wie Magi oder Dämonen nicht gab und dass das nur Geschichten waren, aber hier draußen an diesem entlegenen Ort hoch in den Bergen lag ein Zauber über allen Dingen. Das zu leugnen, das schien so unsinnig, wie die Existenz des Himmels abzustreiten.
    Die gewundene Treppe hinab, immer hin und her, weg von Aschrang, und die Steine wurden allmählich kälter unter den Füßen. Hinein in den Wald, große Bäume auf nackten Hängen, Wurzeln, die nach ihren Zehen griffen und sich um ihre Knöchel schlangen. Sie lief am Schwefelbach entlang, dessen Wasser durch salzverkrustetes Gestein blubberte. Als ihr Atem weiß vor ihrem Gesicht stand, hielt sie inne; die Kälte in ihrer Brust biss, und sie umwickelte ihre Füße noch wärmer, rollte den Pelz aus und legte ihn sich um die Schultern, aß und trank, schnürte ihr Bündel und hastete weiter. Sie dachte an Lamm, wie er unaufhörlich hinter dem Pflug herging, und wie Scheu die Sense schwang, während Schweiß auf ihrer Stirn stand und sie durch die zusammengebissenen Zähne hervorstieß: Du machst einfach weiter. Denk überhaupt nicht ans Aufhören. Mach einfach weiter.
    Der Schnee hatte sich hier in langsam schmelzenden Flecken gehalten, von den Zweigen tropfte es leise, und sie wünschte sich, richtige Stiefel zu haben. Sie hörte in einiger Entfernung wehmütiges Wolfsgeheul und rannte schneller, mit nassen Füßen und müden Beinen, den Berg hinunter und hinunter, sie kletterte über zerklüftetes Gestein und rutschte auf Geröll aus, orientierte sich an den Sternen, so wie Gully ihr das beigebracht hatte, als sie nachts im Dunkeln noch vor der Scheune gesessen hatten, wenn sie nicht schlafen konnte.
    Es fiel kein

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