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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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gesagt hatte. Was sie Savian gesagt hatte. An die vielen Meilen, die sie in den letzten Monaten zurückgelegt hatte, und die Gefahren, die sie überwunden hatte, um bis hierher zu kommen, und sie wusste nicht, was sie machen konnte. Es ließ sich eben alles nicht ändern.
    Allerdings war es immer so gewesen, dass Scheu, wenn man ihr gesagt hatte, dass sich etwas nicht ändern ließ, sofort darüber nachzudenken begann, ob es nicht doch einen anderen Weg gab.
    Der Wagen fuhr über eine Bodenwelle, und das Rattern riss Pit aus dem Schlaf. Er setzte sich auf, sah sich blinzelnd um und fragte: »Wo ist Lamm?« Und Scheus Hände ließen schlaff die Zügel sinken, das Pferd verlangsamte seinen Schritt, blieb dann stehen, und sie saß ganz still im Sattel.
    Majud warf einen Blick über seine Schulter. »Wir müssen weiter, hat Lamm gesagt!«
    »Und müssen Sie unbedingt tun, was er Ihnen sagt? Er ist ja nicht Ihr Vater, oder?«
    »Wohl eher nicht«, sagte der Kaufmann und zügelte die Pferde.
    »Aber meiner«, raunte Scheu. Und so war es. Vielleicht war er nicht der Vater, den sie gewollt hatte. Aber er war der einzige, den sie hatte. Der einzige, den sie drei hatten. Es gab schon genug Dinge im Leben, die sie bedauerte.
    »Ich muss zurück«, sagte sie.
    »Das ist Irrsinn!«, fuhr Süß sie an, der sein Pferd ebenfalls anhielt. »Verdammter Irrsinn!«
    »Zweifelsohne. Und du kommst mit mir mit.«
    Schweigen. »Du weißt, dass da oben mehr als hundert Söldner sind, oder nicht? Mörder, allesamt?«
    »Der Dab Süß, von dem ich habe erzählen hören, hätte sich vor ein paar Söldnern nicht gefürchtet.«
    »Ich weiß nicht, ob dir das schon aufgefallen ist, aber der Dab Süß, von dem du hast erzählen hören, hat nicht viel Ähnlichkeit mit dem Mann in diesem Mantel.«
    »Das soll früher aber mal anders gewesen sein.« Sie ritt zu ihm hinüber und hielt direkt vor ihm an. »Nach dem, was ich gehört habe, warst du früher mal ein echter Kerl.«
    Weinender Fels nickte langsam. »Das ist wahr.«
    Süß sah die alte Geisterfrau grimmig an, bedachte Scheu mit dem gleichen Blick und guckte dann missgelaunt zu Boden, kratzte sich den Bart und sank allmählich im Sattel zusammen. »Früher mal. Da ist man jung und hat noch Träume, die man verwirklichen will. Da weiß man nicht, wie das ist. Eines Tages ist man wer, ganz vielversprechend und mit jeder Menge Mut, so voller Energie, dass die Welt gar nicht genug Platz dafür hat. Und dann, ehe man sichs versieht, ist man alt und merkt, dass man die ganzen Dinge, die man vorhatte, nie wirklich tun wird. Dass diese ganzen Türen, von denen man früher mal dachte, man wäre viel zu groß, um hindurchzupassen, schon geschlossen sind. Nur eine ist noch offen, und die führt zu nichts und wieder nichts.« Er nahm den Hut ab und kratzte sich das weiße Haar mit seinen dreckigen Nägeln. »Man verliert den Mumm. Und wenn der erst mal weg ist, wo findet man ihn wieder? Ich habe Angst bekommen, Scheu Süd. Und wenn man mal Angst hat, dann gibt es kein Zurück mehr, das geht einfach nicht …«
    Scheu packte mit der Faust seinen Pelz und zog den Alten zu sich heran. »So gebe ich nicht auf, hast du mich verstanden? Das kommt überhaupt nicht infrage, verdammte Scheiße! Jetzt brauche ich den Drecksack, der oben an den Quellen des Sokwaya einen roten Bären mit bloßen Händen umgebracht hat, und es interessiert mich einen Scheißdreck, ob das je wirklich passiert ist oder nicht. Hast du mich gehört, du alter Sack?«
    Er sah sie kurz verblüfft an. »Ich hab dich gehört.«
    »Und? Willst du es Cosca heimzahlen, oder willst du bloß lauthals vor dich hin fluchen?«
    Weinender Fels hatte ihr Pferd zu ihnen gelenkt. »Vielleicht sollten wir es für Lief tun«, sagte sie. »Und für die anderen, die auf der Großen Ebene begraben wurden.«
    Süß sah ihr wettergegerbtes Gesicht eine ganze Weile an und betrachtete sie aus irgendeinem Grund mit einem äußerst seltsamen, gemarterten Blick. Dann verzog sich sein Mund zu einem Lächeln. »Wie kann es nur sein, dass du nach all dieser Zeit immer noch so verdammt schön bist?«, fragte er.
    Weinender Fels zuckte nur die Achseln, als sei an Tatsachen eben nicht zu rütteln, und schob sich die Pfeife zwischen die Zähne.
    Süß packte Scheus Hand und schob sie weg von seinem Pelz, den er nun wieder gerade zupfte. Er lehnte sich aus dem Sattel und spuckte aus. Dann sah er mit zusammengekniffenen Augen nach Leuchtberg hinauf und schob den Unterkiefer

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