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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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silbernen Buchstaben. »Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.«
    »Kommst du hier unten allein zurecht?«
    »Vielleicht wär’s am besten, wenn du da oben bleibst. Dieses verrückte Arschloch von vor dreißig Jahren – manchmal kommt der noch zu Besuch.«
    »Dann lass ich euch beide mal machen. Du hättest nicht zurückkehren sollen.« Savian streckte die Hand aus. »Aber ich bin froh, dass du’s getan hast.«
    »Darauf hätte ich nicht verzichten wollen.« Lamm packte Savians Hand und drückte sie fest, und sie sahen einander in die Augen. Es war in diesem Augenblick, als seien sie so vertraut miteinander, als hätten sie sich wirklich schon vor dreißig Jahren getroffen. Aber die Zeit für Freundschaft war vorüber. Savian hatte stets mehr Energie auf seine Feinde verwendet, und von denen herrschte vor der Tür kein Mangel. Er wandte sich um und sprang die Treppe hinauf, nahm drei Stufen auf einmal, kletterte hinauf auf den Turm, einen Flachbogen in jeder Hand und die Bolzen im Köcher über seiner Schulter.
    Vier Fenster, zwei nach vorn, zwei nach hinten. Strohballen entlang der Wände und ein niedriger Tisch mit einer brennenden Lampe; ihr flackerndes Licht zeigte einen Jagdbogen und einen Köcher mit Pfeilen sowie einen Streitkolben mit dicken Stacheln. Das war ja das Gute an Söldnern, sie ließen praktisch überall, wo sie gingen und standen, Waffen liegen. Er schlich geduckt zu den vorderen Fenstern, lehnte einen der Flachbögen sorgfältig unter dem linken an die Wand und huschte dann zum rechten, hakte die Läden auf und spähte hinaus.
    Draußen herrschte noch immer reichlich Chaos, nach wie vor vom großen Feuer gut beleuchtet, das Funken in die Luft wirbeln ließ. Leute rannten aufgescheucht von links nach rechts. Ein paar von denen, die angereist waren, um von den Krümeln reich zu werden, die vom Tisch der Kompanie fielen, hatten offenbar nicht damit gerechnet, mitten in einen Kampf zu geraten. Der Leichnam eines Praktikals lag in der Nähe der Tür, aber Savian weinte ihm keine Träne nach. Als Kind hatte er leicht geweint, aber über die Jahre waren seine Augen immer trockener geworden. Ihnen war gar nichts anderes übrig geblieben. Bei dem, was er gesehen und was er getan hatte, hätte es auf der ganzen Welt nicht genug Salzwasser für ausreichend Tränen gegeben.
    Er sah Bogenschützen nahe bei den Hütten knien und ihre Waffen auf das Fort richten, prägte sich schnell ihre Positionen, den Winkel und die Entfernung ein. Dann sah er Männer mit erhobenen Äxten herbeieilen. Er riss die Lampe vom Tisch und schleuderte sie trudelnd durch die Dunkelheit, sah, wie sie auf dem Reetdach einer Hütte zerbrach und hungrige Feuerzungen über das Dach leckten.
    »Sie wollen die Tür stürmen!«, schrie er.
    »Wie viele?«, hörte er Lamm von unten.
    »Fünf vielleicht!« Seine Augen glitten über die Schatten unten am Feuer. »Sechs!« Er schob sich den Schaft des Flachbogens gegen die Schulter, kuschelte sich ruhig und sicher dagegen, so warm und vertraut wie der Rücken eines geliebten Menschen. O ja, er wünschte sich, mehr Zeit am Rücken eines geliebten Menschen als mit einem Flachbogen an der Schulter verbracht zu haben, aber er hatte seinen Weg gewählt, und jetzt ging er darauf den nächsten Schritt. Er löste den Abzug und fühlte den Ruck des Bogens, und einer der Axtkämpfer machte einen schwankenden Schritt zur Seite und fiel auf den Hintern.
    »Fünf!«, rief Savian, als er von einem Fenster zum anderen glitt, den ersten Bogen absetzte und den zweiten zur Hand nahm. Er hörte Pfeile gegen den Fensterrahmen klappern, einer schwirrte auch ins dunkle Zimmer. Wieder hob er den Bogen, entdeckte eine schwarze Gestalt vor dem Feuer und spürte den Rückstoß; ein Söldner stolperte, kippte in die Flammen, und selbst über den Lärm, der draußen herrschte, hörte Savian seine Schreie, als er Feuer fing.
    Er duckte sich und schmiegte sich eng an die Wand unter dem Fenster. Sah einen Pfeil hereinfliegen und zitternd in einen Balken schlagen. Kurz packte ihn ein Hustenanfall, doch dann hatte er sich wieder im Griff, sein Atem rasselte, die Verbrennungen über seinen Rippen schmerzten frisch. Jetzt hörte er Äxte an der Tür, die donnernd gegen das Holz schlugen. Die musste er Lamm überlassen. Dem einzigen lebenden Menschen, dem er diese Aufgabe zugetraut hätte. Er hörte Stimmen von der Rückseite des Hauses, leise zwar, aber er hörte sie trotzdem. Schnell war er wieder auf den Beinen und huschte

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