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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Leitstern.«
    »Das habe ich ihm oft gesagt.« Dennoch machte Sufeen keine Anstalten, sein Tempo zu verlangsamen. »O Gott«, brummte Tempel und sah gequält in den blauen Himmel. »O Gott, o Gott.« Und dann eilte er ihm nach, das Gras klatschte an seine Waden, durchsetzt von kleinen weißen Blumen, deren Namen er nicht wusste.
    »Selbstopferung ist keine edle Tat!«, rief er, als er Sufeen erreichte. »Ich habe das schon miterlebt, und es ist eine hässliche, sinnlose Sache, für die man keinerlei Dank erhält!«
    »Vielleicht dankt Gott es mir.«
    »Wenn es einen Gott gibt, dann muss er sich über wichtigere Dinge Gedanken machen als über Menschen wie wir!«
    Sufeen ging unbeirrt weiter und sah weder nach links noch nach rechts. »Gehen Sie zurück, Tempel. Das hier ist nicht der einfache Weg.«
    »Das ist mir verdammt klar!« Er bekam Sufeen am Ärmel zu fassen. »Lassen Sie uns beide wieder zurückgehen!«
    Sufeen schüttelte ihn ab und lief weiter.
    »Dann komme ich mit!«
    »Gut.«
    »Scheiße!« Tempel musste sich Mühe geben, um Schritt zu halten. Die »Stadt« kam unbeirrbar näher und sah immer weniger nach etwas aus, wofür er sein Leben riskieren wollte. »Was ist Ihr Plan? Es gibt doch einen Plan, oder?«
    »Es gibt … ein Stück Plan.«
    »Das klingt nicht sehr beruhigend.«
    »Ich wollte Sie auch nicht beruhigen.«
    »Dann haben Sie es verdammt noch mal geschafft, mein Freund.« Sie schritten unter dem Torbogen aus rau zusammengezimmerten Balken hindurch, der als Stadttor diente, und unter dem knarrend ein Schild mit der Aufschrift Averstock schaukelte. Sie bemühten sich, die schlammigsten Teile der aufgeweichten Hauptstraße zu vermeiden, und umrundeten die geduckten Gebäude, die hauptsächlich aus verzogenen Kiefernstämmen errichtet worden waren und nur ein Stockwerk hatten, und auch das manchmal nur knapp.
    »Du meine Güte, ist das ärmlich hier«, murmelte Sufeen.
    »Es erinnert mich an zu Hause«, hauchte Tempel. Und das war alles andere als positiv. Die in der Sonne kochende Unterstadt von Dagoska, die brodelnden Elendsviertel Styriens, die bitterarmen Dörfer Nahelands. Jede Nation war auf ihre eigene Weise reich, aber stets auf dieselbe Weise arm.
    Eine Frau häutete einen fliegenübersäten Kadaver, bei dem es sich vielleicht einmal um ein Kaninchen oder eine Katze gehandelt haben mochte, und Tempel beschlich das Gefühl, dass ihr ziemlich egal war, um was für ein Tier es sich handelte. Ein paar halb nackte Kinder schlugen auf der Straße Holzschwerter aneinander. Ein langhaariger Alter schnitzte auf einer Veranda vor einem der wenigen aus Stein gebauten Häuser einen Stock; das Schwert, das hinter ihm an der Wand lehnte, war allerdings keinesfalls ein Spielzeug. Sie alle beobachteten Tempel und Sufeen mit düsterem Misstrauen. Einige Fensterläden schlossen sich mit einem Krachen, und Tempels Herz fing an zu klopfen. Dann bellte ein Hund, und er schiss sich beinahe in die Hosen, Schweiß trat ihm auf die Stirn, als ein stinkender Hauch an ihnen vorüberzog. Er fragte sich, ob das hier die blödeste Sache war, die er in seinem mit Idiotien gepflasterten Leben je getan hatte. Jedenfalls stand sie ziemlich weit oben auf der Liste, dachte er, und hatte noch viel Potenzial, sich ganz bis an die Spitze zu boxen.
    Averstocks strahlender Mittelpunkt war ein Schuppen, über dessen Eingang ein Brett mit einem aufgemalten Humpen hing, und in dem sich ein paar glücklose Gäste aufhielten. Zwei Männer, die wie ein Bauer und sein Sohn aussahen, beide rothaarig und knochig, saßen an einem Tisch und aßen Brot und Käse, beides alles andere als frisch; der Junge trug einen Ranzen über der Schulter. Eine tragische Gestalt, geschmückt mit ausgefransten Bändern, hatte sich über einen Becher gebeugt. Tempel hielt ihn für einen reisenden Barden und hoffte, dass er sich auf traurige Lieder spezialisiert hatte, denn schon sein Anblick genügte, um andere zu Tränen zu rühren. Eine Frau kochte etwas auf der geschwärzten Feuerstelle und warf Tempel einen bitteren Blick zu, als er eintrat.
    Der Tresen bestand aus einer aufgeworfenen Holzplatte, die in der Länge einen frischen Spalt aufwies und einen großen Fleck, der in die Maserung gesickert war und unangenehm nach Blut aussah. Dahinter stand der Tavernenwirt und rieb sorgfältig einige Becher mit einem Lappen sauber.
    »Noch ist es nicht zu spät«, raunte Tempel. »Wir könnten einfach nur einen Becher von der Pisse runterstürzen, die sie hier

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