Blutklingen
verkaufen, dann einfach weitergehen, und nichts passiert.«
»Bis der Rest der Kompanie hier eintrifft.«
»Ich meinte, dass uns nichts passiert …« Aber Sufeen näherte sich schon dem Tresen, während Tempel tonlos fluchend kurz in der Tür stehen blieb und ihm schließlich mit dem größten Zögern folgte.
»Was kann ich euch bringen?«, fragte der Wirt.
»Eure Stadt ist von vierhundert Söldnern umringt, die sich bereits auf den Angriff vorbereiten«, sagte Sufeen, und Tempels Hoffnung, einer Katastrophe vielleicht doch noch aus dem Weg zu gehen, löste sich in Wohlgefallen auf.
Es folgte eine bedeutungsschwere Pause. Eine sehr schwere.
»Das war nicht meine beste Woche«, knurrte der Wirt. »Ich bin nicht in der Stimmung für Späße.«
»Wenn wir ein paar Lacher ernten wollten, dann hätten wir uns auch was Besseres einfallen lassen können«, brummte Tempel.
Sufeen übertönte ihn. »Es handelt sich um die Kompanie der Gütigen Hand, unter dem Befehl des berüchtigten Söldners Nicomo Cosca, und sie steht im Dienst der Inquisition Seiner Majestät, um Rebellen in Naheland auszulöschen. Wenn sie von euch nicht die vollste Unterstützung erfährt, dann wird deine schlechte Woche bald noch wesentlich schlechter werden.«
Jetzt hatten sie die ganze Aufmerksamkeit des Wirts. Sie hatten die Aufmerksamkeit aller Anwesenden im Gasthaus, und zwar sicher. Ob das nun gut war oder nicht, würde sich noch zeigen, aber Tempel war nicht besonders optimistisch. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das überhaupt zum letzten Mal gewesen war.
»Und wenn es Rebellen in der Stadt gibt?« Der Bauer lehnte sich neben ihnen an den Tresen und rollte bedeutsam den Ärmel hoch. Auf seinem sehnigen Unterarm prangte eine Tätowierung. Freiheit, Unabhängigkeit, Gerechtigkeit . Hier stand also die Geißel der mächtigen Union, Lorsens heimtückischer Feind, der furchterregende Rebell in Fleisch und Blut vor ihnen. Falls dies das Antlitz des Bösen war, dann war es ein ziemlich abgemagertes.
Sufeen wählte seine Worte mit Bedacht. »Dann haben sie eine Stunde Zeit, um sich zu ergeben und die Menschen dieser Stadt vor einem Blutvergießen zu bewahren.«
Der knochige Mann zeigte ein Lächeln, das mehrere fehlende Zähne offenbarte und in dem noch weniger Freude lag. »Ich kann euch zu Scheel bringen. Der kann dann drüber nachdenken, was er glauben soll.« Er selbst glaubte klar erkennbar nichts von dem, was sie gesagt hatten. Oder vielleicht verstand er es nicht einmal ganz.
»Dann bring uns zu Scheel«, sagte Sufeen. »Gut.«
»Ist das gut?«, raunte Tempel. Das Gefühl einer bevorstehenden Katastrophe erstickte ihn beinahe. Oder vielleicht war das auch nur der Atem des Rebellen. Wenn schon sonst nichts, so hatte er zumindest den Odem des Bösen.
»Ihr müsst eure Waffen abgeben«, sagte der Mann.
»Mit dem größten Respekt«, begann Tempel, »ich bin nicht überzeugt, dass …«
»Her damit.« Tempel stellte überrascht fest, dass die Frau am Feuer plötzlich einen gespannten Flachbogen in den Händen hielt, den sie geradewegs auf ihn richtete.
»Ich bin überzeugt«, krächzte er und zog das Messer mit Finger und Daumen aus dem Gürtel. »Es ist nur ein sehr kleines.«
»Es kommt nicht auf die Größe an«, sagte der knochige Mann, als er die Waffe aus Tempels Hand pflückte, »sondern darauf, wo du es hinsteckst.« Sufeen löste seinen Schwertgurt, und der Mann nahm auch den an sich. »Dann gehen wir mal. Und es wäre eine gute Idee, auf alle plötzlichen Bewegungen zu verzichten.«
Tempel hob die Handflächen. »Das versuche ich immer zu vermeiden.«
»Sie haben eine gemacht, als Sie mir hierher gefolgt sind, wenn ich mich recht erinnere«, sagte Sufeen.
»Und das bedaure ich jetzt sehr.«
»Klappe halten.« Der knochige Rebell trieb sie zur Tür, die Frau folgte in vorsichtigem Abstand, den Bogen noch immer im Anschlag. Tempel sah das Blau einer Tätowierung an der Innenseite ihres Handgelenks. Der Junge hielt sich im Hintergrund; eines seiner Beine war geschient, und er hielt den Ranzen dicht an die Brust gedrückt. Ohne die Todesdrohung wäre es eine lächerliche Prozession gewesen. Todesdrohungen machten für Tempel allerdings stets jegliche Komik zunichte.
Wie sich herausstellte, war Scheel der alte Mann, der sie beobachtet hatte, als sie in die Stadt gekommen waren. Zwar lag das erst ganz kurz zurück, aber was war das im Vergleich für eine glückliche Zeit gewesen! Scheel erhob sich steif,
Weitere Kostenlose Bücher